Dieses Blog durchsuchen

Montag, 7. November 2016

Nach der französischen Grenze




Nach der französischen Grenze
die Melodie
des Asphalts.


 
(After the French border / the asphalt's /
melody.)

Georges Hartmann




***************************************************************




Melodie

Es kam ein Ton, der fern herüberschrie,
So voll, als wär’ er selbst schon Melodie.
Zur Dämmerstunde schwang er sich herein,
Da ward er mein, da ward ich völlig sein. -

Nun schwebt er um mein Leben aufgestört,
Niemals begriffen und doch stets gehört;
Wenn ich ihn rufe, ist er jäh entfloh’n,
Und flieh’ ich ihn, trägt alle Luft den Ton,
Und wächst zum Klang und schreit nach neuem Klang
Und schwillt sich aus vor Sehnsucht nach Gesang.

Wenn einst mein Herz in letztem Licht genest,
Von seinem Leid und seiner Lust sich löst,
Hör’ ich den zweiten fremden Wunderton,
Erhofft, erbettelt lange Jahre schon.
Der fügt mit überwältigendem Drang
Sich dem lebendigen, dem ersten Klang,
Und beide kreisen ruhlos durch die Luft,
Ob nicht ein dritter die Gefährten ruft.

O Gott, durch tausend Tode schritt ich schon,
Und jedes Leben schenkte neuen Ton;
Wann kommst du, Licht? Wann hör’ ich sie,
Die volle, ungeteilte Melodie?

Ludwig Jacobowski (1868-1900)




1 Kommentar:

  1. Lieber Georges!
    Ein schönes Haiku! Ich habe gleich gewusst, dass es von Dir ist. Elisabeth westro

    AntwortenLöschen