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Dienstag, 31. Mai 2016

Frühlingsschlummer






Frühlingsschlummer
Warme Schatten wischen 
über meine Haut




(spring slumber / warm shadows sweeping / over my skin)*

Angelica Seithe



 
*(Erstveröffentlichung: Mainichi 10.06.2015)
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Foto: © BloodyMary / pixelio.de




Montag, 30. Mai 2016

verkehrsampel






verkehrsampel 
schon dreimal grün 
für die tauben




(traffic light / three times green / for the doves)

René Possél




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Tauben

Und es geht ein alter süßer Glauben,
Und die blasse Frau nahm ihn Zu eigen:
Kinderseelen können sich als Tauben,
Weiße Tauben ihren Müttern zeigen.

Selig nun durchblitzt es oft die Arme,
Bei der Tauben Flug im Sonnenscheine
Und sie sucht im großen bunten Schwarme
Eine weiße, eine weiche, kleine.

In den schillernden, den braunen, grauen
Sieht sie gute treue Hüterinnen.
Lange kann sie stehn, wenn hoch im Blauen
Tauben blitzen, stehn und sinnen, sinnen —

Frida Schanz (1859-1944)




Sonntag, 29. Mai 2016

Wolkenfronten





Wolkenfronten.
Ein Kind schwingt auf der Schaukel
in den Frühling hinein.




(Cloud fronts. / One child swinging on the swing / into spring.)

Volker Friebel




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Dieter Schütz / pixelio.de




Samstag, 28. Mai 2016

strahlender Himmel



strahlender Himmel
Mutter kippt die Sonne
ins Frühbeet


(bright sky / Mother tilts the sun / into the cold frame)

Christof Blumentrath




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Frühlingssonne

Frühlingssonne, Frühlingssonne,
Königin in Berg und Thal!
Alles drängt in hoher Wonne
Sich entgegen Deinem Strahl.

Blüthen, die die rauhe Rinde
Hielt gefangen manchen Tag,
Sprossen nun hervor geschwinde,
Dich zu grüßen tausendfach.

Blumen, die wir in den Tiefen
Schwarzer Erde todt geglaubt,
Nun, da Deine Strahlen riefen,
Richten sie empor ihr Haupt.

Bächlein, die in starrer Erden
Hielt der Winter eingezwängt,
Wie sie fröhlich sich geberden,
Da den Kerker Du gesprengt!

Vöglein all', die fern gezogen
Waren aus dem öden Hain,
Kommen luftig hergeflogen,
Grüßen jauchzend Deinen Schein.

Und ein Reigen von Gesängen,
Der da schlief in meiner Brust,
Bricht nun auch mit hellen Klängen
An Dein Licht hervor in Lust.

Frühlingssonne, Frühlingssonne,
Königin in Berg und Thal!
Alles, Alles drängt in Wonne
Sich entgegen Deinem Strahl.


Adolf Schults (1820-1858)
Aus der Sammlung Frühlingsfeier





Freitag, 27. Mai 2016

zeitlos in den Tag



zeitlos in den Tag
der Parkscheinautomat
außer Betrieb*



(timeless into the day / the parking ticket machine / out of service)

Brigitte ten Brink




*(Erstveröffentlichung: Haiku heute, Ausgabe August 2014)

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Foto: © Karl-Heinz Laube / pixelio.de




Donnerstag, 26. Mai 2016

Asyldebatte



Asyldebatte
zu Gast in meinem Garten
ein Vogel ohne Namen


(Refugee debate / as guest in my garden / a bird with no name)

Eléonore Nickolay



(Erstveröffentlichung: Chrysanthemum Nr. 19, April 2016)
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Wer ist auf dieser Erde mir nicht fremd

Wer ist auf dieser Erde mir nicht fremd
und kann so ganz mein kleines Dasein deuten?
Wer hört, von keinem Mauerring gehemmt,
die helle Glocke meiner Seele läuten?

Mein Wandern durch den Tag und durch die Nacht
ist einsam sehr, so viel ich mich auch mühe,
dass mir ein zweites Licht entgegen facht
und mit dem meinen froh in einem glühe.

Ja, viele Menschen stehen da und dort
und schauen auf bei meinem starken Schreiten
und sprechen manchmal auch ein grüßend Wort,
doch ist dies voll versteckter Heimlichkeiten.

Und ängstlich hüten sie ihr Pünktchen Licht,
verschließen es mit ihrer Hände Hüllen,
aus denen nie das hohe Leuchten bricht,
um alle Straßen dieser Welt zu füllen.

Doch werden einmal alle Hände sich
zu einer liebesschweren Hand verschlingen
und alle Wesen zu dem legten Ich,
zu Gott in letzter frommer Einheit dringen.


Alfons Petzold (1882-1923)
Aus der Sammlung ERKENNUNGEN






Mittwoch, 25. Mai 2016

aus der Zeit



aus der Zeit -
die Kirschblüten über mir
tanzen im Kreis



(detached from time - / cherry blossoms above me / spinning in circles*)


Claudia Brefeld




*(Erstveröffentlichung: Asahi 18. April 2014)
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Foto: © Barbara Schneider / pixelio.de





Dienstag, 24. Mai 2016

crescendo





crescendo
am frühlingsweiher
himmel sammeln*




(crescendo / at the spring pond / collections from heaven)

Helga Stania




*(Erstveröffentlichung: Haiku heute Juni-Ausgabe 2013)
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Das Blau

Ich bin das Himmelsblau, das nichts bedrängt.
Das Schwebende, das nicht träumt, noch denkt.
Habe kein Schicksal, keinen Willen;
leichter, als ich, ist nichts zu stillen.
Durchflutet von Freude oder Leid -
ich lobe die Notwendigkeit...
Dem goldgepanzerten Gletscher so fern
wie im Tale dem Waldanemonenstern -
ich lasse mich füllen, ich kann nichts tun,
als blauen, umhüllen und in mir ruhn...
Umwölbe wie meinen Kern die Welt...
Was weiß ich, ob sie Gott enthält.
Ich schlafe im Schatten meines Ich;
denn Meer und Ströme spiegeln mich.

Leo Sternberg (1876-1937)
Aus der Sammlung Im Weltgesang




Montag, 23. Mai 2016

Vergebens gesucht



Vergebens gesucht
am blauen Himmel
die Schwalben



(Sought in vain / at the blue sky / the swallows)


Elke Bonacker




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Christian Beuschel / pixelio.de




Sonntag, 22. Mai 2016

frühlingsgewitter



frühlingsgewitter
mit dem regen rauschen
die gedanken fort





(spring thunderstorm / rushing away with the rain / the thoughts)

Peter Wißmann



(Übersetzung: Silvia Kempen)

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Frühlingsgewitter


Weißgekrönte Wolkenscharen
Zieh'n am Horizont zusammen,
Und Gewitterblitze fahren
Hin und her mit fahlen Flammen.

Aufgeregte Winde wallen
Durch der Bäume hohe Gipfel,
Schwere Regentropfen fallen
Rauschend nieder in die Wipfel.

Blütenwispen wirbelnd fliegen,
Dumpfer Donner grollt von ferne,
In den Schoß der Blätter schmiegen
Sich die kleinen Blumensterne.

Und die Sträucher rings im Garten
Schön geschmückt im Frühlingskleide,
Stehn im ängstlichen Erwarten
Zitternd, wie vor schwerem Leide,

Ueber ihnen eine prächtige
Eiche auf gen Himmel strebet;
Wie beneiden sie die Mächt'ge,
Die nicht wanket und nicht bebet.

Durch die Zweige fährts mit Brausen,
Blitze zucken, Dünner krachen,
Regenströme niedersausen
Sammelnd sich in breiten Lachen.

Eine Stunde, — und versunken
Ist im Norden das Gewitter.
Sonne streuet goldne Funken
Durch der Zweige grünes Gitter.

Blumen, die sich schlossen bange,
Blühen auf zu schöner Wonne;
Noch ein Thränlein auf der Wange
Blicken lächelnd sie zur Sonne.

Neu ersteht im grünen Reiche
Alles, was vorher gezittert;
Doch die hohe, stolze Eiche
Blitzgetroffen, liegt zersplittert.

So sehn wir im Kampf des Lebens,
Oft den Mächtigen unterliegen,
Während still bescheidnen Strebens
Schwache Kräfte herrlich siegen.

Hier wie dorten ohne Wanken,
Ewige Gesetze gelten.
Hocherhabene Gedanken
Sind's des Lenkers aller Welten.

Seine Allmacht laßt uns preisen!
Er kann bauen und zerschmettern.
Welch' ein Mahnen, welch' Verheißen
Spricht aus seinen Frühlingswettern.

Stine Andresen
Aus der Sammlung Vermischte Gedichte




Samstag, 21. Mai 2016

feiner Regen





feiner Regen
er murmelt
seinen Namen




(smooth rain / murmuring / his name)

Gabriele Hartmann




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Foto: © Joujou / pixelio.de





Freitag, 20. Mai 2016

Sattes Grün






Sattes Grün
zwei Hunde modellieren 
eine Schafherde




(Lush greens / two dogs modeling / a flock of sheep)

Friedrich Winzer




(Übersetzung: Beate Conrad)
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Gedicht von Friedrich Rückert
 
Der Mai macht alles grün,
Nur meine Hoffnung nicht.
Er macht die Rosen blühn,
Wie euer Angesicht,
Und läßt die Sonne glühn,
Wie euer Freudenlicht.
Der Mai macht alles grün,
Nur meine Hoffnung nicht.

Der Mai macht alles grün,
Auch meiner Kinder Grab.
Mit seinem Thaue sprühn
Die Thränen mir hinab,
Und seine Lüfte mühn
Sich mit den Seufzern ab.
Der Mai macht alles grün,
Auch meiner Kinder Grab.

Friedrich Rückert (1788-1866)
Aus der Sammlung Winter und Frühling





Donnerstag, 19. Mai 2016

Windspiel





Windspiel
tanzende Schatten
im Abendschein




(wind chime / dancing shadows / in evening gleam)

Angelika Knetsch




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Ibefisch / pixelio.de




Mittwoch, 18. Mai 2016

Überall Trümmer





Überall Trümmer -
ich kannte damals jedes
eßbare Unkraut.





(ruins everywhere / in those days I knew every / edible weed)

Horst Ludwig




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HUNGER


Den Riemen enger um den Leib! Wie gut!
Fürwahr, es geht. Das ist ein lustig Leben.
Noch Fraß genug! Man braucht ihn nur zu heben,
wie jeder Strotter das im Rinnstein tut.

Jetzt, Not des Geistes, sollst Du dich erheben
In Wahnsinnsgröße! Überschrei die Wut
der Därme, rasender Asketenmut!
Spring aus dem Joch, Gehirn, und mach mich schwebend!

So zwingend sind die Argumente nicht,
Gevatter Hunger, daß ich mich begebe.
Hart bist Du. Härter ist dein Widerpart.

Und schickst du mir, wie es Tyrannenart,
den Henker Tod: Nicht du bists, der mich bricht:
Am Geist vergeh ich, drin ich flammend lebe.

Josef Weinheber (1892-1945)




Dienstag, 17. Mai 2016

Voller Frühlingsmond





Voller Frühlingsmond!
Und die Leute fragen noch:
Mensch, was starrst du so?




Hotta Bakusui (1720-1783)




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Foto: © Claudia Hautumm / pixelio.de




Montag, 16. Mai 2016

sternenlos






sternenlos - 
durchs Fenster das Licht 
der Kirschblüten




(starless - / through the window the light / of cherry blossoms)

Cezar-Florin Ciobîcă




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Licht

Licht, vom Himmel flammt es nieder,
Licht, empor zum Himmel flammt es;
Licht, es ist der große Mittler
Zwischen Gott und zwischen Menschen;
Als die Welt geboren wurde,
Ward das Licht vorangeboren,
Und so ward des Schöpfers Klarheit
Das Mysterium der Schöpfung;
Licht verschießt die heil’gen Pfeile
Weiter immer, Lichter immer,
Ahriman sogar, der dunkle,
Wird zuletzt vergehn im Lichte.

August von Platen (1796-1835)



 

Sonntag, 15. Mai 2016

Kälteeinbruch





Kälteeinbruch
das feurige Rot
der Tulpen




(cold snap / the fiery red / of the tulips)

Chris David




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Chris David




Samstag, 14. Mai 2016

Paradeplatz






Paradeplatz
auf dem Maimarkt schießen sie
mit Bonbons




(parade square / on the May Market they shoot / with sweets)

Birgit Heid




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Der Markt



Mutter. (zum 1sten Kind.)

Was kaufst du in dem Markt?

Kind.

Ich kaufe mir ein Steckenpferd;
Denn das ist mir am meisten werth. Juchhe!

Mutter. (zum 2ten Kind.)

Was kaufst du in dem Markt?

Kind.

Ich kaufe mir ein Wägelein,

Dann fahr ich Holz und Steine ein! Juchhe!

Mutter. (zum 3ten Kind.)

Und was kaufst du im Markt?

Kind.

Das Schwesterlein ist mir so lieb,

Ihm kauf’ ich was zum Zeitvertrieb. Juchhe!

Mutter. (zum 3ten Kind.)

Das hör’ am liebsten ich von dir;
Komm her, und nimm den Kuß dafür!


August Corrodi (1826-1885)
Aus der Sammlung Fünfzig Fabeln und Bilder aus der Jugendwelt