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Sonntag, 30. November 2014

Schnee auf Blättern





Schnee auf Blättern
drinnen
das erste Licht




(Snow on the leaves / inside / the first light) 

Katharina Tack



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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 Foto: © angelina.s...k.... / pixelio.de





Samstag, 29. November 2014

Herbstabend





Herbstabend –
Risse fühlen
in der Birkenrinde




(autumn eve – / touching the fissures / in the birch bark)

Ramona Linke



(Erstveröffentlichung: Haiku heute Vierteljahresauswahl Herbst 2006)
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Die Birke

Wie diese weiße Birkenruh
Durch’s Grüne harrt der schwarzen Nacht!
Die Ruhe wohl beneidest du,
Wenn dir die Seel‘ in Sorge wacht.

Karl Mayer (1786 - 1870)
Aus der Sammlung Auf Fußwanderungen




Freitag, 28. November 2014

eine frau





eine frau
allein im nebel
keine fragen mehr stellend





(a woman / lonesame in the fog / no longer asking questions)

Helga Stania




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Foto: © Helga Stania





Donnerstag, 27. November 2014

Halbmond





Halbmond
Frauen die ein Geheimnis
teilen




(crescent moon / women sharing / a secret)

Gabriele Hartmann




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Geheimnis

Geheimnis, doppelseitige Macht!
Zu trennen weißt du und zu binden.
Zur Lösung hast du dort gebracht,
Was hier geeinigt dein Verschwinden,
Und Schönheit birgst du, wie die Nacht,
Die Stern- und Mondesglanz umwinden,
Und Granen säst du, läßt die Herzen starren,
Die sehnsuchtsvoll auf dein Entschleiern harren.

Mit Andacht grüßt dich, wer bewußt
Mit dir, auch deine Macht empfangen.
Tief senkt er dich in seine Brust,
Sein Herz dich wahrt mit süßem Bangen;
Hält's ja mit dir zu Leid und Lust
Den, der dich ihm vertraut, gefangen!
Denn das Geheimniß, das zween Menschen eigen —
Verbindet sie auf ewig, wenn sie schweigen! —

Alma Leschivo (1848 - 1905)
Aus der Sammlung Verziehendes Gewitter




Mittwoch, 26. November 2014

Starry autumn night






Starry autumn night.
By the fire stories of
Old Man Coyote.





(Klare Sternennacht. / Am Feuer Geschichten von / Old Man Coyote.)

Beate Conrad




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Eine Legende der Ureinwohner Amerikas, aus der US-amerikanischen Stadt Wasco
(Sinngemäß aus dem Englischen übersetzt: Silvia Kempen)

Coyote platziert die Sterne

Es gab einmal fünf Wölfe, sie waren Brüder, die zusammen reisten. Immer wenn es ihnen gelang Fleisch zu jagen, so teilten sie es mit Coyote.

Eines Abends sah Coyote die Wölfe in den Himmel blicken „Was seht ihr da oben, meine Brüder?“ fragte Coyote. „Oh, nichts“, sagte der älteste Wolf.

Am nächsten Abend sah Coyote wieder, wie sie alle nach etwas am Himmel Ausschau hielten. Er fragte den nächstältesten Wolf, was sie dort suchten, aber dieser wollte es nicht sagen.

So ging es drei oder vier Nächte. Niemand wollte Coyote sagen, wonach sie blickten, weil sie dachten, es würde ihn stören. Eines Nachts bat Coyote den jüngsten Bruder der Wölfe, ihm zu berichten und dieser sagte zu den anderen Wölfen „Lasst uns Coyote erzählen, was wir dort sehen. Er wird nichts tun.“

So verrieten sie ihm. „Wir sehen dort oben zwei Tiere. Da oben, wo wir sie nicht erreichen können.“

„Lasst uns gehen und nachsehen“, sagte Coyote.

„Nun, wie können wir das tun?"

„Oh, das ist einfach“, sagte Coyote. „Ich kann euch zeigen, wie ihr ohne Probleme dort hinkommt.“

Coyote sammelte eine große Anzahl von Pfeilen und begann, sie in den Himmel zu schießen. Der erste Pfeil bohrte sich in den Himmel und der zweite Pfeil blieb im ersten Pfeil stecken. Jeder Pfeil am Ende des anderen Pfeils, bis es eine feste Leiter bis auf die Erde war. „Jetzt können wir hochklettern“, sagte Coyote.

Der älteste Wolf nahm seinen Hund mit sich, und dann kamen die anderen vier Wolfsbrüder und dann Coyote. Sie kletterten den ganzen Tag und bis in die Nacht. Auch den ganzen nächsten Tag und noch viele Tage und Nächte, bis sie endlich den Himmel erreichten. Sie standen im Himmel und sahen hinüber zu den beiden Tieren, die die Wölfe von unten gesehen hatten. Es waren zwei Grizzlybären.

„Geht nicht zu nah heran“, sagte Coyote. „Sie werden euch zerreißen.“ Aber die beiden jüngsten Wölfe waren bereits hinüber gegangen. Und die nächsten beiden jüngsten Wölfe folgten ihnen. Nur der älteste Wolf hielt sich zurück. Die Wölfe setzten sich und schauten zu den Bären, und die Bären saßen da und schauten zu den Wölfen. Als der älteste Wolf sah, dass es sicher war, kam er mit seinem Hund und setzte sich zu ihnen.

Coyote wollte nicht kommen. Er traute den Bären nicht. „Wenn es auch ein schönes Bild ist“, dachte Coyote. „Sie sehen alle ziemlich gut aus, so, wie sie dort sitzen. Ich denke, ich werde sie verlassen, um dieses Bild für alle Menschen zu bewahren. Wenn die Leute dann in den Himmel schauen, werden sie sagen: ‚Es gibt eine Geschichte über dieses Bild‘, und sie werden eine Geschichte über mich erzählen.“

So verließ Coyote sie auf folgende Weise. Während er hinabstieg, nahm er die Pfeile mit, so dass es für niemanden die Möglichkeit gab zurückzukommen. Unten von der Erde aus bewunderte er die Anordnung, die er es verlassen hatte.

Heute sieht es noch genauso aus. Diese Sterne werden nun Big Dipper (Schöpfkelle – gemeint ist das Sternbild der Goße Wagen) genannt. Wenn Sie empor blicken, sehen Sie, dass drei Wölfe den Handgriff bilden und der älteste Wolf, der in der Mitte, hat immer noch seinen Hund bei sich. Die beiden jüngsten Wölfe bilden den Teil der Schüssel unter dem Griff und die beiden Grizzlybären bilden die andere Seite, die in Richtung des Nordsterns zeigt.

Als Coyote sah, wie sie aussahen, wollte er viele Sterne dazu setzen. Über den ganzen Himmel ordnete er Sterne in Bildern an und mit den Sternen, die er übrig hatte, bildete er am Himmel die Große Straße (Milchstraße).

Nachdem Coyote fertig war, rief er einen Lerchenstärling. „Mein Bruder“, sagte er: „Wenn ich weg bin, sage allen, dass wenn sie in den Himmel hochschauen und die Sterne auf diese Weise angeordnet sehen, ich derjenige war, der die Sterne so arrangiert hat. Das ist meine Arbeit.“

Nun erzählt der Lerchenstärling diese Geschichte über Coyote.





Dienstag, 25. November 2014

November clouds





November clouds.
The orange tree
becomes a beacon.




(Novemberwolken. / Der Orangenbaum wird / zum Leuchtfeuer.)




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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  Foto: © Gabi Schoenemann / pixelio.de




Montag, 24. November 2014

Immer weniger







Immer weniger
Freunde aus jenen Tagen. -
Novemberreise.





(Fewer and fewer / friends from those days. - / November travel.)

Horst Ludwig



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Freunde

Im ersten frohen Jugenddrang,
In frischem Muth und Sinnen,
Da wirst du für dein Lebenlang
Die Freunde dir gewinnen.
Die stärksten Bande knüpft man nur
Auf frühen Lebenswegen,
Und ihre lichte sonn'ge Spur
Währt bis zuletzt als Segen.

Doch später auch in kühler Zeit
Laßt Leid und Freud sich theilen,
Wenn Männer stehn in Rath und Streit
Vereint zu Hilf und Heilen,
Wohl manch in uns versunk'ner Hort,
Der niemals aufgesprossen,
Erscheint und grüßt uns hier und dort
In wackern Zeitgenossen.

Und wer noch ganz am Abend spät,
Als wie ein Geist aus alten
Vergang'nen Tagen mit dir geht,
Auch den such' festzuhalten:
Der Worte sind nicht viele mehr,
Der Stunden nicht mehr viele,
Und süß Erinnern labt so sehr,
Wenn man sich naht dem Ziele.


Hermann von Lingg (1820 - 1905)
Aus der Sammlung Natur- und Weltleben




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Geburtstag
Tageshaiku wird heute 1 Jahr alt

Allen Einsendern und Lesern ein Dankeschön 


Sonntag, 23. November 2014

wie Drachen fauchen





wie Drachen fauchen
die Windräder im Sturm – selbst
die Sterne zittern.




(as dragons growl / wind wheels in the storm – even / the stars tremble.)

Isabella Kramer



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Isabella Kramer





Samstag, 22. November 2014

welke Rosen





welke Rosen
über den Dornen löst sich
der endlose Tag




(withered roses / above the thorns dissolves / the endless day)

Gerd Börner



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Zwei welke Rosen

Zwei welke Rosen träumen
Im Sande zum letztenmal;
Es funkelt auf ihren Säumen
Der Abendsonne Strahl.

"Mich hat die Braut getragen
An glückgeschwellter Brust,
Als ihre Pulse geschlagen
Das Lied der höchsten Lust!"

"Er legte beim Kerzenscheine
Mich ihr auf den bleichen Mund;
Sie lag im schwarzen Schreine
Und bald im schwarzen Grund!"

Zwei welke Rosen träumen
Im Sande zum letztenmal;
Verloschen auf ihren Säumen
Ist leise der letzte Strahl. -

Max Waldau (1825 - 1855)




Freitag, 21. November 2014

17 Uhr





17 Uhr
langsam erlischt
der Ahorn



(5 o'clock pm / slowly dwindles / the maple)

Eléonore Nickolay



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © R.Bursa (mein Papa) / pixelio.de




Donnerstag, 20. November 2014

feuerwehrfest





feuerwehrfest
dein haar in flammen
herbstlicht




(firefighter festival / your hair in flames / autumn light)

Sonja Raab



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Tim Reckmann / pixelio.de





Mittwoch, 19. November 2014

Abendwolke





Abendwolke -
gerade noch zog sie
einen Faden Glut




(Evening cloud - / just pulled / a filament of glow)

Ilse Jacobson



(Erstveröffentlichung: Haiku heute November 2009)
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Abendwolke

So stille ruht im Hafen
Das tiefe Wasser dort,
Die Ruder sind entschlafen,
Die Schifflein sind im Port.
Nur oben in dem Äther
Der lauen Maiennacht
Dort segelt noch ein später
Friedfertger Ferge sacht.
Die Barke still und dunkel
Fährt hin in Dämmerschein
Und leisem Sterngefunkel
Am Himmel und hinein.


Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898)




Dienstag, 18. November 2014

warmer November






warmer November – 
noch einmal blühen 
Kastanien




(ciepły listopad – / i znowu kwitną / kasztany) 

(warm November – / blooming again / chestnuts) 

Grazyna Werner 



(Polnische Übersetzung: Grazyna Werner) 
(Englische Übersetzung: Silvia Kempen) ***************************************************************





Foto: © Annamartha / pixelio.de




Montag, 17. November 2014

es riecht nach Schnee





es riecht nach Schnee
rufen die Wildgänse
schreien die Krähen





(it smells like snow / wild geese call / crows scream)

Ralf Bröker
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Riecht Schnee?

Schnee ist ein fester Niederschlag, der aus vielen kleinen Eiskristallen besteht. Sein Grundelement ist Wasser (H2O). Kleine Wasserpartikel setzen sich an Staubpartikel und gefrieren dort. Viele solcher Eiskristalle, die sich ineinander verhaken, bilden eine Schneeflocke.
Rein physikalisch betrachtet riechen weder Wasser noch Schnee. Dennoch hört man den Ausspruch "Die Luft riecht nach Schnee" häufiger. Schnee bindet Staub und sogar Umweltgifte, die Luft wird somit rein. Man atmet tiefer ein. Wahrscheinlich liegt es daran, dass der Mensch eine Empfindung von Geruch hat. Der Geruch an sich lässt sich nur umschreiben, aber nicht klar definieren.
Von Sarah Kirsch (1935 - 2013) gibt es ein Gedicht: "Die Luft riecht schon nach Schnee, ...)





Sonntag, 16. November 2014

Volkstrauertag







Volkstrauertag
dicht an dicht der Holzkreuze
lange Schatten




(Memorial Day / side by side the wooden crosses / long shadows)

Silvia Kempen




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 Foto: © Joerg Trampert / pixelio.de










Samstag, 15. November 2014

Der Tag versinkt




Der Tag versinkt -
hinter den Häusern
hallt noch dein Schritt




(The day is sinking - / behind the houses / your step still reverberates)

Angelika Knetsch




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Marc Landmann / pixelio.de





Freitag, 14. November 2014

Nahtod





Nahtod ...
das gleißende Sonnenlicht
beim Öffnen der Tür




(near-death .../ the glaring sunlight/ when opening the door)

Hans-Jürgen Göhrung 




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Foto: © Wolfgang Dirscherl / pixelio.de




Donnerstag, 13. November 2014

bright autumn night





bright autumn night –
she winterizes
her soul 




(helle Herbstnacht – / sie macht ihre Seele / winterfest)

Ramona Linke




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Herbstnacht

Über die Stoppeln hör ich die Stürme weh‘n,
Über das Herz mir fühl ich ein Zittern geh‘n,
Trauernd seh‘ ich allein noch ein Sternlein steh‘n,
Auch das Sternlein ist schon am Untergeh‘n.

Ach, was ich klagend suchte, ist nicht mehr!
Über den Wäldern lasten die Nebel schwer,
Über die Berge bangt noch ein Leuchten her,
Aber so zag, als ob es das letzte wär.

Franz Eichert (1857 - 1926)
Aus der Sammlung Natur



Mittwoch, 12. November 2014

Nebelmacher





Nebelmacher,
meine Söhne           w a r t e n
auf den letzten Zug




(fog makers, / my sons          w a i t i n g / for the last train)

Gabriele Hartmann



(Übersetzung: Gabriele Hartmann / Beate Conrad)
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Warten

Denk ich dein, du Himmelsgarten,
Mit der heilgen Engel Sang
Wird mir auch das längste Warten
Nicht zu lang.

Elisabeth Josephson (1861 - 1906)
Aus der Sammlung Perlen aus bitterer Flut




Dienstag, 11. November 2014

Geburtstagsgäste






Geburtstagsgäste 
der Blick 
auf das letzte Kuchenstück




(Birthday guests / the view / on the last piece of cake)

Winfried Benkel




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Foto: © Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de




Montag, 10. November 2014

spinne um spinne






spinne um spinne 
reiht ihr netz in die wiesen 
altweibersommer




(spider for spider / places her web in the meadows / Indian summer)

Peter Wißmann



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Das Spinnennetz

Ich sah im Wald der Spinne zu,
Die hielt an einer Linde Ruh.
Ein Faden aus dem Leib sich zog
Und frei mit einem Ende flog,
Das lang im Waldeshauche schwebt,
Bis es am nächsten Baume klebt;

Zur Mitte drauf die Spinne lies,
Die bald ach einem Schlehdorn tief
An einem Silberfaden sank,
Und knüpft ihn an das Dorngerank.
Und rückwärts man sie klimmen sieht,
Daß sie den dritten Faden zieht
Zum Dreieck, und zum Viereck teil;
Sie eine Seite unverweilt.
Und durch die Mitte rasch gespannt
Die Strahlen sind nach jeder Wand.
Gezogen auch mit Kunst und Fleiß
Ist bald der engste kleinste Kreis
Und immer größer Ring an Ring,
Das Spinngewebe fertig hing.
Die Abendsonne durch den Tann
Schräg lächelnd sah das Netz sich an;
Mit Blau und Gold und Grün und Rot
Ein Farbenspiel der Faden bot.
Stolz mitten drin die Spinne hält;
Der Meistrin wohl ihr Werk gefällt,
Und mit dem Garne fest und fein
Fängt Mücken sie und Fliegen ein.

* * *

O Menschengeist, so groß- du bist,
Die Spinne klein dir ähnlich ist!
Vom Anfang bis zur letzten Zeit
Reicht des Gedankens Faden weit,
Der sich an die Erfahrung klebt,
Und strahlenförmig, größer webt
Stets aus dem Ich das Denkgesetz
Des Erdenwissens Spinnennetz.

Franz Binhack (1836-1915)
Aus der Sammlung Camera obscura




Sonntag, 9. November 2014

mein Schatten der Erste






mein Schatten der Erste
im spukenden Haus
hohler Taubenruf




(my shadow the first / to enter the haunted house / a pigeon's cooing)

Klaus-Dieter Wirth





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Foto: © Andre Große Bley / pixelio.de