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Donnerstag, 31. März 2016

vom regen überrascht





vom regen überrascht
er küsst ihr die tropfen
von den wimpern*




(surprised by rain / he is kissing the drops / from her eyelashes)

Sylvia Hagenbach



*(Erstveröffentlichung: haiku - eine annäherung, Juni 2014)
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Die Tropfen rinnen und fallen

Die Tropfen rinnen und fallen
In starre Dunkelheit.
Gesenkten Hauptes wallen
Vorüber Nacht und Leid.

Die Äste zittern und schwanken.
Der Wandrer eilt geschwind;
Und wehe Nachtgedanken
Irren im schwarzen Wind.

Fern, fern, auf sonnigen Wegen,
Da leuchtet es irgendwo.
Da schlagen dem Lichte entgegen
Die Herzen und lachen froh.

O, banne die Finsternisse,
O, komm du sonniger Hauch.
Erlöse die Erde und küsse
Die heiße Stirn mir auch.

Walther Seeck
Aus der Sammlung Wandern und Irrsal




Mittwoch, 30. März 2016

vogelgezwitscher





vogelgezwitscher
auf dem dach
handwerker




(birdchirping / on the roof / workmen)

Sylvia Bacher




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Foto: © Ulrich Velten / pixelio.de



Dienstag, 29. März 2016

Werdende Nacht






Werdende Nacht
du erzählst
von deinem Himmel*




(Expectant night / you tell / about your sky)

Ilse Jacobson



*(Erstveröffentlichung: Haiku heute, Ausgabe Januar 2010)
(Übersetzung: Silvia Kempen)

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Werdende Mutter


Du bist der Hoch-Zeit deines Lebens nah
und trägst den Glanz der Mutterschaft in deinen Zügen.
Es ist, als wenn dein Auge jene Dinge sah,
die jenseits aller irdischen Grenzen liegen...

Du trägst der Erde Kraft in deinem Schoß,
die Wälder werden ließ und Berg und Meere...
Du bist, weil du das Neue werden läßt, so groß
wie eine Welt mit deines Leibes Schwere - - -

Peter Burlach
Aus der Sammlung Zu neuen Ufern
 
 
 
 

Montag, 28. März 2016

sommerzeit





sommerzeit
all die lichtstunden
leben





(daylight saving / all light-hours / living)

Isabella Kramer



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Licht!

Aus langer, trüber Wolkennacht
Bricht wieder hell die Sonne,
Und Flur und Wald erhebt das Haupt
Zum Himmel in neuer Wonne ...

Nach langer, banger Trennungszeit,
Voll Hoffen und Verzagen,
Ein einz’ger Strahl aus deinem Aug’ —
Und selig die Pulse schlagen.

Josef Huggenberger (1865-1938)
Aus der Sammlung Wilde Ranken




Sonntag, 27. März 2016

Ostermond





Ostermond
in der Monstranz
der alten Eiche




(Easter Moon / in the monstrance / of the old oak)

Angelica Seithe



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Foto: © Hans Heindl / pixelio.de




Samstag, 26. März 2016

Nestbau





Nestbau -
dieses Suchen und Finden
am Rand des Winters




(nest-building - / this searching and finding / at the edge of winter)

Angelika Knetsch



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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EIN KLEINES NEST

Ein kleines Nest! O sag' mir an,
Was uns so herzig rührt daran?
Ein Kranz von Halmen ist's doch bloss,
Drin weiche Flöcklein Hanf und Moos,
Ein Aehrenhalm, ein Borkenstück
Und — eine ganze Welt voll Glück!

Julius Lohmeyer (1834-1903)
Aus der Sammlung Beschauliches



Freitag, 25. März 2016

Karfreitag Schneesturm






Karfreitag Schneesturm.
Sollten Sie wohin müssen,
lassen Sie sich Zeit.




(Good Friday snowstorm. / If you have to drive somewhere, / allow extra time.)
 
Horst Ludwig
 
 
 
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Foto: ©Silvia Kempen



Donnerstag, 24. März 2016

märzabend






märzabend
auf krähenflügeln gleitet sonnenglanz
durchs häusermeer







(march evening / sun shine floating on crow wings / through the mass of houses)

Peter Wißmann



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Im hellen Sonnenglanz

Wie sieht die Welt so anders aus
Im hellen Sonnenglanz!
Da ist der Wald ein schmuckes Haus,
Erhellt zu Spiel und Tanz.

Der Vöglein buntgefiedert Chor
Spielt auf im muntern Takt,
Von Sanges Luft sind Schilf und Rohr
Und Gras und Halm gepackt.

Der Käfer summt und surrt vergnügt.
Das Heimchen zirpt sein Lied,
Der Schmetterling sich tosend schmiegt
An Blume, Blatt und Blüt’.

Und in dem grünen Blätterhaus
Prangt rings der Blumen Kranz.
Wie sieht die Welt so anders aus
Im hellen Sonnenglanz!

Hugo Lissauer (1843-1910)
Aus der Sammlung Natur und Leben





Mittwoch, 23. März 2016

Frühlingsnacht





Frühlingsnacht der Atem ein vergessenes Lied
 
(Spring night breath a forgotten song)

Christof Blumentrath



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Martin Günther / pixelio.de



Dienstag, 22. März 2016

frühlingszwitschern





frühlingszwitschern
noch einmal zurückgekehrt
der geruch von schnee




(spring twittering / returning once again / the smell of snow)

Birgit Schaldach-Helmlechner



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Ein Morgentraum - schon von der Vögel Zwitschern

Ein Morgentraum - schon von der Vögel Zwitschern
Geweckt, schlief ich noch einmal ein und fand mich
Mit dir in herzlichem Gespräch vereinigt.

Es schwebte über uns des Sommers Weben
Und ein Gefühl ganz in sich selbst gestillter
Von keinem Wölkchen auch getrübter Liebe.

Da plötzlich war von meinem Ring — du kennst ihn
Ich trug ihn schon, als wir zuerst uns sahen —
Die Perle, wie erschrak ich doch! zerflossen.

Nun müht' ich mich bis heute Morgen niemals
Der Träume Sinn zu deuten; heute frag' ich,
Mich halb verlachend, halb in bangem Jagen

Zerfließt mir deine Liebe, wie die Perle?

Frieda Port (1854-1926)
Aus der Sammlung Tagebuchblätter




Montag, 21. März 2016

graues Haar





graues Haar
in jedem Tupfen Pink
mein Frühling




(grey hair / in each spot of pink / my spring)

Simone K. Busch



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Simone K. Busch




Sonntag, 20. März 2016

almond blossoms






almond blossoms / carrying a tune / very well

(mandelblüten / eine weise spielen / so wunderschön)

Haiga von Heike Gewi ©
 
 

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Mandelblüte

Vom Mandelbaum nur eine einz'ge Blüte,
Dazu ein Brieflein dunkelblau Papier
Mit hundert Wünschen, daß mich Gott behüte ...
Von wem ist's anders als von dir?
Das ganze Zimmer öffnet sich der Blüte,
Dem holden Gruß mein innigstes Gemüte! ..
O weh, wie sehnt es mich nach dir!

Ludwig Jacobowski (1868-1900)
Aus der Sammlung Leuchtende Tage. Neue Gedichte




Samstag, 19. März 2016

Billard






Billard 
die letzte Kugel 
der Mond




(Billard / the last ball / the moon)

Friedrich Winzer



(Übersetzung: Beate Conrad)
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Foto: © lydia margerdt / pixelio.de




Freitag, 18. März 2016

auf dem rückweg





auf dem rückweg
dein engel
ins moos getaut




(on the way back / your angel / melted into moss)

Hartmut Schönherr



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Die Engel

Sie haben alle müde Münde
und helle Seelen ohne Saum.
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)
geht ihnen manchmal durch den Traum.

Fast gleichen sie einander alle;
in Gottes Gärten schweigen sie,
wie viele, viele Intervalle
in seiner Macht und Melodie.

Nur wenn sie ihre Flügel breiten,
sind sie die Wecker eines Winds:
als ginge Gott mit seinen weiten
Bildhauerhänden durch die Seiten
im dunklen Buch des Anbeginns.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Aus: Das Buch der Bilder




Donnerstag, 17. März 2016

Fischerboote





Fischerboote
der Lichtschein eines
Wetterleuchtens




(fishing boats / the blaze of a / heat lightning) 

Birgit Heid



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Hannes Srb / pixelio.de




Mittwoch, 16. März 2016

Regentag





Regentag -
doch die Amsel
singt und singt






(rainy day - / but the blackbird / sings and sings)

Andrea D`Alessandro



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Die Amsel

Wie tönt an Frühlingstagen
So schwermuthsreich und hold
Der Amsel lautes Schlagen
In’s stille Abendgold.

Es schimmert an den Zweigen
Ein zartverhülltes Grün,
Die jungen Säfte steigen,
Und es beginnt zu blühn.

Doch nicht mit Jubeltönen
Begrüsst die Amsel nun
Die Tage, jene schönen,
Die in der Zukunft ruhn.

Es klingt wie Leides Ahnung,
Sie singt im schwarzen Kleid
Schon jetzt die trübe Mahnung,
Wie kurz die schöne Zeit.

Heinrich Seidel (1842-1906)





Dienstag, 15. März 2016

schon Frühling





schon Frühling
die geballten Fäustchen
öffnen sich*





(already spring / the clenched fists / opening)

Martina Heinisch



*(Erstveröffentlichung: Haiku heute, Ausgabe April 2008)
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Helene Souza / pixelio.de



Montag, 14. März 2016

Springtime





Springtime
zur Haustüre noch
ein Schritt




(Springtime / to the front door still / one step)

Gitta Hofrichter



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Der unsichtbare Schritt


Auf der Straße schallt ein Schritt,
Manchmal ferner, manchmal näher.
Ist es noch ein später Mäher?
Tappt ein Bauer
Durch des Zwielichts letzten Schauer?
Immer näher
Auf der Straße schallt ein Schritt,
Und mein Puls schallt mit und mit.

Manchmal fern und wieder nah!
Jetzt erschallt er bei der Hecke,
Hallend biegt er um die Ecke,
Die Gefahr
Endlich wird sie offenbar.
Doch kein Mann biegt um die Ecke,
Nur der Schritt ist schallend da,
Manchmal fern und wieder nah!

Franz Werfel (1890-1945)
Aus der Sammlung Nachtrag


Sonntag, 13. März 2016

Frühlingsregen





Frühlingsregen -
sacht, ganz sacht
plaudert die Amsel




(Spring rain - / gently, very gently / chatting the blackbird)

Gerda Förster



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Rolf Handke / pixelio.de