Stabat Mater ―
langsam öffnet sich die Tür
dem Licht entgegen.
(Stabat Mater ― / the door opening / towards the light.)
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Beate Conrad
Lateinischer
Originaltext
gedichtet um
1200–1300
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Gereimte
Übertragung
Christoph
Martin Wieland 1779
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1.
Stabat mater dolorosa
Iuxta crucem lacrimosa, Dum pendebat filius; 2. Cuius animam gementem, Contristantem et dolentem Pertransivit gladius. 3. O quam tristis et afflicta Fuit illa benedicta Mater unigeniti! 4. Quae maerebat et dolebat, Et tremebat, cum videbat Nati poenas incliti. 5. Quis est homo, qui non fleret, Matrem Christi si videret In tanto supplicio? 6. Quis non posset contristari, Piam matrem contemplari Dolentem cum filio? 7. Pro peccatis suae gentis Iesum vidit in tormentis Et flagellis subditum. 8. Vidit suum dulcem natum Morientem, desolatum, Cum emisit spiritum. 9. Eia, mater, fons amoris, Me sentire vim doloris Fac, ut tecum lugeam. 10. Fac, ut ardeat cor meum In amando Christum Deum, Ut sibi complaceam. 11. Sancta mater, illud agas, Crucifixi fige plagas Cordi meo valide. 12. Tui nati vulnerati, Iam dignati pro me pati, Poenas mecum divide. 13. Fac me vere tecum flere, Crucifixo condolere, Donec ego vixero. 14. Iuxta crucem tecum stare, Te libenter sociare In planctu desidero. 15. Virgo virginum praeclara, Mihi iam non sis amara, Fac me tecum plangere. 16. Fac, ut portem Christi mortem, Passionis eius sortem Et plagas recolere. 17. Fac me plagis vulnerari, Cruce hac inebriari Ob amorem filii. 18. Inflammatus et accensus, Per te, virgo, sim defensus In die iudicii. 19. Fac me cruce custodiri, Morte Christi praemuniri, Confoveri gratia.* 20. Quando corpus morietur, Fac ut anima donetur Paradisi gloriae. |
Schaut die Mutter voller Schmerzen,
wie sie mit zerrißnem Herzen unterm Kreuz des Sohnes steht: Ach! wie bangt ihr Herz, wie bricht es, da das Schwerdt des Weltgerichtes tief durch ihre Seele geht! O wie bittrer Qualen Beute ward die Hochgebenedeite Mutter des Gekreuzigten! Wie die bange Seele lechzet! Wie sie zittert, wie sie ächzet, des Geliebten Pein zu sehn! Wessen Auge kann der Zähren Bey dem Jammer sich erwehren, der die Mutter Christi drückt? Wer nicht innig sich betrüben, der die Mutter mit dem lieben Sohn in solcher Noth erblikt? Für die Sünden seiner Brüder, sieht sie, wie die zarten Glieder schwehrer Geisseln Wuth zerreißt: Sieht den holden Sohn erblassen, Trostberaubt, von Gott verlassen, still verathmen seinen Geist. Laß, o Mutter, Quell der Liebe, laß die Fluth der heil‘gen Triebe strömen in mein Herz herab! Laß in Liebe mich entbrennen, ganz für den in Liebe brennen, Der für mich sein Leben gab. Drük, o Heilge, alle Wunden, die dein Sohn für mich empfunden, tief in meine Seele ein! Laß in Reue mich zerfließen, mit ihm leiden, mit Ihm büßen, mit Ihm theilen jede Pein! Laß mich herzlich mit dir weinen, mich durchs Kreuz mit Ihm vereinen, sterben all mein Lebenlang! Unterm Kreuz mit dir zu stehen, unverwandt hinauf zu sehen, sehn‘ ich mich aus Liebesdrang. Gieb mir Theil an Christi Leiden, laß von aller Lust mich scheiden, die ihm diese Wunden schlug! Auch ich will mir Wunden schlagen, will das Kreuz des Lammes tragen, welches meine Sünde trug. Laß, wenn meine Wunden fließen, liebestrunken mich genießen dieses tröstenden Gesichts! Flammend noch vom heilgen Feuer, deck, o Jungfrau, mich dein Schleyer Einst am Tage des Gerichts! Gegen aller Feinde Stürmen Laß mich Christi Kreuz beschirmen, sey die Gnade mein Panier! Dekt des Grabes düstre Höle Meinen Leib, so nimm die Seele Auf ins Paradies zu dir! |
* In der "deutschen" (so Herausgeber, S.316) Gruppe der Handschriften (insgesamt 28) findet sich statt dieser Strophe die folgende:
Christe, cum sit hinc exire,
Da per matrem me venire
Ad palmam victoriae.
Quelle: Wikipedia