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Dienstag, 31. Oktober 2017

Halloweenabend





Halloweenabend.
In der Schale für den Hund
ein Häufchen Nebel.




(Halloween Eve. / In the bowl for the dog / a pile of fog.)

Beate Conrad




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Foto: © Rike / pixelio.de




Montag, 30. Oktober 2017

Abendneige





Abendneige
dieses Leuchten
am Hagebuttenhang




(evening ending / this shine / at the rose hips hill)

Ilse Jacobson




(Übersetzung: Horst Ludwig)
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Hagebutten

Verträumt der Knabe lag
Am Wilderosenhag
Voll blüh'nder Ranken,
Die Schmetterlinge flirrten
Gleich trunknen Muts verirrten
Gedanken.

Wie schadenfroh du Herbst
Die Herrlichkeit verderbst,
Die zarten Falter,
Das Blühen, Schwärmen, Lieben!
Nur Hagebutten blieben
Dem Alter.

Sigmund Schott (1818-1895)




Sonntag, 29. Oktober 2017

Vorstellungsrunde





Vorstellungsrunde
im Stadtpark feiern sie
den Herbstvollmond




(round of introductions / in the city park they celebrate / the autumn full moon)

Birgit Heid




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Herbstmond

Über den Hügeln ein Feuerschein
droht in den sinkenden Abend hinein.

Über den Hügeln groß glüht es empor,
ringt sich aus wogendem Dunkel hervor.

Über den Hügeln, wie Weltenbrand,
wächst ein blutroter Mond ins Land. —

Und sieh! vor der glühenden Scheibe steht
eine Mühle, die sausend die Flügel dreht.

Mahlt und mahlt mit fliegender hast,
ihre Flügel ringen ohn Ruh und Rast.

Mahlt und mahlt für die Menschen Brot,
von einer brennenden Welt umloht . . .

Paul Remer (1867-1943)




Samstag, 28. Oktober 2017

Frische Astern





Frische Astern,
schneide Vater
die Fußnägel




(Fresh asters, / cutting father's / toenails)

Gerd Börner




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Angelina Ströbel / pixelio.de




Freitag, 27. Oktober 2017

nachbars fassade





nachbars fassade
die wandernden schatten
meines rauchfangs






(neighbor's facade / the wandering shadows / of my chimney)

Sonja Raab




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Wandernde Seelen!

Ich sah ein Sternlein schießen
Durch den weiten Weltenraum:
Das ist eines armen Kindes
Verlor'ner Glückestraum.

Ich sah ein Blättchen fliehen
Durch die öde Heide hin:
Das ist in Meiden und Leiden
Ein armer, verlor'ner Sinn.

Ich hör' durch die Lüfte hallen
Einen Ton in einsamer Flucht:
Das ist eine arme Seele,
Die ihren Himmel sucht.

Marie Itzerott (1857-?)
Aus der Sammlung Ethisches und Aestethisches




Donnerstag, 26. Oktober 2017

Herbstanfang





Herbstanfang
ein Schmetterling
in ihrer Haut




(beginning of autumn / a butterfly / in her skin)


Cezar-Florin Ciobîcă





(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Verena N. / pixelio.de




Mittwoch, 25. Oktober 2017

Am Himmel




Am Himmel
ein Schwarm Kraniche -
mein Essen brennt an



(In the sky / a swarm of cranes - / my food is burning)

Marita Bagdahn




(Erstveröffentlichung: Haiku Kalender 2016, HH-Verlag)
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Die Kraniche des Ibykus

Zum Kampf der Wagen und Gesänge,
Der auf Korinthus' Landesenge
Der Griechen Stämme froh vereint,
Zog Ibykus, der Götterfreund.
Ihm schenkte des Gesanges Gabe,
Der Lieder süßen Mund Apoll,
So wandert' er, an leichtem Stabe,
Aus Rhegium, des Gottes voll.

Schon winkt auf hohem Bergesrücken
Akrokorinth des Wandrers Blicken,
Und in Poseidons Fichtenhain
Tritt er mit frommem Schauder ein.
Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme
Von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens Wärme
In graulichtem Geschwader ziehn.

»Seid mir gegrüßt, befreundte Scharen!
Die mir zur See Begleiter waren,
Zum guten Zeichen nehm ich euch,
Mein Los, es ist dem euren gleich.
Von fernher kommen wir gezogen
Und flehen um ein wirtlich Dach.
Sei uns der Gastliche gewogen,
Der von dem Fremdling wehrt die Schmach!«

Und munter fördert er die Schritte
Und sieht sich in des Waldes Mitte,
Da sperren, auf gedrangem Steg,
Zwei Mörder plötzlich seinen Weg.
Zum Kampfe muß er sich bereiten,
Doch bald ermattet sinkt die Hand,
Sie hat der Leier zarte Saiten,
Doch nie des Bogens Kraft gespannt.

Er ruft die Menschen an, die Götter,
Sein Flehen dringt zu keinem Retter,
Wie weit er auch die Stimme schickt,
Nichts Lebendes wird hier erblickt.
»So muß ich hier verlassen sterben,
Auf fremdem Boden, unbeweint,
Durch böser Buben Hand verderben,
Wo auch kein Rächer mir erscheint!«

Und schwer getroffen sinkt er nieder,
Da rauscht der Kraniche Gefieder,
Er hört, schon kann er nicht mehr sehn,
Die nahen Stimmen furchtbar krähn.
»Von euch, ihr Kraniche dort oben!
Wenn keine andre Stimme spricht,
Sei meines Mordes Klag erhoben!«
Er ruft es, und sein Auge bricht.

Der nackte Leichnam wird gefunden,
Und bald, obgleich entstellt von Wunden,
Erkennt der Gastfreund in Korinth
Die Züge, die ihm teuer sind.
»Und muß ich so dich wiederfinden,
Und hoffte mit der Fichte Kranz
Des Sängers Schläfe zu umwinden,
Bestrahlt von seines Ruhmes Glanz!«

Und jammernd hörens alle Gäste,
Versammelt bei Poseidons Feste,
Ganz Griechenland ergreift der Schmerz,
Verloren hat ihn jedes Herz.
Und stürmend drängt sich zum Prytanen
Das Volk, es fodert seine Wut,
Zu rächen des Erschlagnen Manen,
Zu sühnen mit des Mörders Blut.

Doch wo die Spur, die aus der Menge,
Der Völker flutendem Gedränge,
Gelocket von der Spiele Pracht,
Den schwarzen Täter kenntlich macht?
Sinds Räuber, die ihn feig erschlagen?
Tats neidisch ein verborgner Feind?
Nur Helios vermags zu sagen,
Der alles Irdische bescheint.

Er geht vielleicht mit frechem Schritte
Jetzt eben durch der Griechen Mitte,
Und während ihn die Rache sucht,
Genießt er seines Frevels Frucht.
Auf ihres eignen Tempels Schwelle
Trotzt er vielleicht den Göttern, mengt
Sich dreist in jene Menschenwelle,
Die dort sich zum Theater drängt.

Denn Bank an Bank gedränget sitzen,
Es brechen fast der Bühne Stützen,
Herbeigeströmt von fern und nah,
Der Griechen Völker wartend da,
Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen;
Von Menschen wimmelnd, wächst der Bau
In weiter stets geschweiftem Bogen
Hinauf bis in des Himmels Blau.

Wer zählt die Völker, nennt die Namen,
Die gastlich hier zusammenkamen?
Von Theseus' Stadt, von Aulis Strand,
Von Phokis, vom Spartanerland,
Von Asiens entlegner Küste,
Von allen Inseln kamen sie
Und horchen von dem Schaugerüste
Des Chores grauser Melodie,

Der streng und ernst, nach alter Sitte,
Mit langsam abgemeßnem Schritte,
Hervortritt aus dem Hintergrund,
Umwandelnd des Theaters Rund.
So schreiten keine irdschen Weiber,
Die zeugete kein sterblich Haus!
Es steigt das Riesenmaß der Leiber
Hoch über menschliches hinaus.

Ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden,
Sie schwingen in entfleischten Händen
Der Fackel düsterrote Glut,
In ihren Wangen fließt kein Blut.
Und wo die Haare lieblich flattern,
Um Menschenstirnen freundlich wehn,
Da sieht man Schlangen hier und Nattern
Die giftgeschwollnen Bäuche blähn.

Und schauerlich gedreht im Kreise
Beginnen sie des Hymnus Weise,
Der durch das Herz zerreißend dringt,
Die Bande um den Sünder schlingt.
Besinnungraubend, herzbetörend
Schallt der Erinnyen Gesang,
Er schallt, des Hörers Mark verzehrend,
Und duldet nicht der Leier Klang:

»Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle
Bewahrt die kindlich reine Seele!
Ihm dürfen wir nicht rächend nahn,
Er wandelt frei des Lebens Bahn.
Doch wehe, wehe, wer verstohlen
Des Mordes schwere Tat vollbracht,
Wir heften uns an seine Sohlen,
Das furchtbare Geschlecht der Nacht!

Und glaubt er fliehend zu entspringen,
Geflügelt sind wir da, die Schlingen
Ihm werfend um den flüchtgen Fuß,
Daß er zu Boden fallen muß.
So jagen wir ihn, ohn Ermatten,
Versöhnen kann uns keine Reu,
Ihn fort und fort bis zu den Schatten,
Und geben ihn auch dort nicht frei.«

So singend, tanzen sie den Reigen,
Und Stille wie des Todes Schweigen
Liegt überm ganzen Hause schwer,
Als ob die Gottheit nahe wär.
Und feierlich, nach alter Sitte
Umwandelnd des Theaters Rund
Mit langsam abgemeßnem Schritte,
Verschwinden sie im Hintergrund.

Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet
Noch zweifelnd jede Brust und bebet
Und huldiget der furchtbarn Macht,
Die richtend im Verborgnen wacht,
Die unerforschlich, unergründet
Des Schicksals dunkeln Knäuel flicht,
Dem tiefen Herzen sich verkündet,
Doch fliehet vor dem Sonnenlicht.

Da hört man auf den höchsten Stufen
Auf einmal eine Stimme rufen:
»Sieh da! Sieh da, Timotheus,
Die Kraniche des Ibykus!« –
Und finster plötzlich wird der Himmel,
Und über dem Theater hin
Sieht man in schwärzlichtem Gewimmel
Ein Kranichheer vorüberziehn.

»Des Ibykus!« – Der teure Name
Rührt jede Brust mit neuem Grame,
Und, wie im Meere Well auf Well,
So läufts von Mund zu Munde schnell:
»Des Ibykus, den wir beweinen,
Den eine Mörderhand erschlug!
Was ists mit dem? Was kann er meinen?
Was ists mit diesem Kranichzug?« –

Und lauter immer wird die Frage,
Und ahnend fliegts mit Blitzesschlage
Durch alle Herzen. »Gebet acht!
Das ist der Eumeniden Macht!
Der fromme Dichter wird gerochen,
Der Mörder bietet selbst sich dar!
Ergreift ihn, der das Wort gesprochen,
Und ihn, an dens gerichtet war.«

Doch dem war kaum das Wort entfahren,
Möcht ers im Busen gern bewahren;
Umsonst, der schreckenbleiche Mund
Macht schnell die Schuldbewußten kund.
Man reißt und schleppt sie vor den Richter,
Die Szene wird zum Tribunal,
Und es gestehn die Bösewichter,
Getroffen von der Rache Strahl.

Friedrich Schiller (1759-1805)
Aus der Sammlung Gedichte (1789-1805)





Dienstag, 24. Oktober 2017

im Gasthaus




.御旅宿の秋の夕を忘れたり

o-ryoshuku no aki no yûbe wo wasuretari




(at the inn / the autumn evening / is forgotten)*

(im Gasthaus / der Herbstabend / ist vergessen)**




*(Englische Übersetzung: David Lanoue)
**(Deutsche Übersetzung: Silvia Kempen)
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Herbstabend

Langsam verblasst der Abendsonnenbrand,
Indes die dunklen Schleier tiefer sinken –
Ich seh mit leeren Augen in das Land
Und möchte Frieden in die Seele trinken.

Wohl ist mir einen sel’gen Herzschlag lang,
Als wäre all‘ das tiefe Leid verwunden –  –  –
Dann schüttle ich das Haupt und warte bang
Der Nacht mit hoffnungslos durchweinten Stunden.

Ernst Goll (1887-1912)
Aus der Sammlung Im bitteren Menschenland. Nachgelassene Gedichte.






Montag, 23. Oktober 2017

Rommé-Nachmittag




Rommé-Nachmittag
die Farben bunt gemischt
vom Herbstwind



(rummy-afternoon / the colors colorful mixed / by autumn wind)

Silvia Kempen




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Foto: © Judith Lisser-Meister / pixelio.de 






Sonntag, 22. Oktober 2017

apple harvest




apple harvest
a flock of birds cuts up
the sunset light*




(Apfelernte / ein Vogelschwarm zerstückelt / das Abendrot)

Ramona Linke 




*(Erstveröffentlichung: 21. Dezember 2015, The Mainichi)
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Apfelernte

Die ersten Äpfel fallen vom Wurm,
Die zweiten Äpfel, die fällt der Sturm,
Die dritten erntet man ein:
Welche mögen die besten wohl sein?

Die dritten natürlich! lacht jedermann:
Weil man nur die servieren kann!
Die schält sich dann
Respektvoll der Esser
Mit sorglichem Messer -
Doch Wurm und Sturm,
die wissen es besser.

Hanns von Gumppenberg (1866-1928)



Samstag, 21. Oktober 2017

Das kleine Pappschild





Das kleine Pappschild
an der Tür zum Eis-Salon
schimmert im Herbstlicht





(The small cardboard sign / at the door to the ice salon / shimmers in autumn light)

Georges Hartmann




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Entfaltet schimmern meine Schwingen

Entfaltet schimmern meine Schwingen:
drin Gestirntes sprüht und dämmert.
Drin Kometen schweifen und zerspringen.
Drin ein Herz noch hämmert.
Alfred Mombert (1872-1942)




Freitag, 20. Oktober 2017

bewölkter Himmel





bewölkter Himmel
sorgsam stopft er
seine Pfeife




(cloudy sky / carefully he tamps / his pipe)

Gabriele Hartmann




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Foto: © Rolf Handke / pixelio.de
 
 
 
 

Donnerstag, 19. Oktober 2017

buntlaub





buntlaub
weit über den fluss
stundenflirren




(colorful leaves / across the river / flickering hours

Helga Stania




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Foto: © Petra Bork / pixelio.de



 

Mittwoch, 18. Oktober 2017

Schuberts Wiegenlied





Schuberts Wiegenlied -
im Vogelnest sammeln sich
Blätter und Schnee




(Schubert's Wiegenlied - / leaves and snow gathering / in the bird's nest)

Rosemarie Schuldes




(Englische Version: Silvia Kempen)
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Wiegenlied

Melodie: Franz Schubert (1797–1828), op. 98, 2 D 498
Text: Anonymus, früher Matthias Claudius (1740-1815) zugeschrieben

1. Strophe
Schlafe, schlafe, holder, süßer Knabe,
leise wiegt dich deiner Mutter Hand;
sanfte Ruhe, milde Labe
bringt dir schwebend dieses Wiegenband.

2. Strophe
Schlafe, schlafe in dem süßen Grabe,
noch beschützt dich deiner Mutter Arm,
alle Wünsche, alle Habe
fasst sie liebend, alle liebewarm.

3. Strophe
Schlafe, schlafe in der Flaumen Schoße,
noch umtönt dich lauter Liebeston,
eine Lilie, eine Rose,
nach dem Schlafe werd sie dir zum Lohn.



Wiegenlied

melody: Franz Schubert (1797–1828), op. 98, 2 D 498
text: anonymous person, formerly attributed to Matthias Claudius (1740-1815)

1. stanza
Sleep, sleep, gracious, sweet boy,
softly rocked by your mother's hand;
gentle rest, mild refreshment
brings you this floating cradle-strap.

2. stanza
Sleep, sleep in the sweet grave,
still protected by your mother's arms;
all her desires, all her possessions
she holds lovingly, glowing with love.

3. stanza
Sleep, sleep in the downy bosom,
still notes of love grow around you;
a lily, a rose,
after sleep they will reward you.




Dienstag, 17. Oktober 2017

Löchriger Ahorn





Löchriger Ahorn
ein Wind verschiebt zunehmend
Lichtpunkte





(With holes maple / the wind increasingly shifting / points of light)

Beate Conrad




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Foto: © Kristina Bösenberg / pixelio.de




Montag, 16. Oktober 2017

Zurück vom Essen





Zurück vom Essen -
an der Tür eine Kiste
mit gelben Birnen




(Back from a dinner - / at the door a wooden box / filled with yellow pears)
 
Horst Ludwig




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Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

Aus der Sammlung Nachtgesänge




Sonntag, 15. Oktober 2017

ihr schwarzen vögel





ihr schwarzen vögel
habt ihr euch am nebel 
verschluckt?




(hi, black birds, / has the fog gone down / the wrong way?)

Sylvia Bacher




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Foto: © Claudia Zapp / pixelio.de




Samstag, 14. Oktober 2017

A l l e s





A l l e s
in den Augen
eines Kindes






(E v e r y t h i n g / in the eyes / of a child)

Elke Bonacker




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Kind

Süßer Schwindel schlägt hinüber,
Heiße Blicke gehen über,
Und ein neues Leben rinnt.
Unserer Liebe starke Wonnen
Sammelt ein als starke Sonnen
Und die Himmel seiner Augen
Unser Kind.

Peter Hille (1854-1904)

Freitag, 13. Oktober 2017

Naturstrand





Naturstrand
für kurze Zeit
steinreich






(natural beach / for a short time / vastly rich)

Chris David




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Chris David




Donnerstag, 12. Oktober 2017

im Wartezimmer






im Wartezimmer
wie er die Sichel hält
van Goghs Schnitter*






(in the waiting room / the way he holds the sickle / van Gogh's Reaper)

Ruth Karoline Mieger




*(Die Ernte, Kornfeld mit Schnitter)
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Der Schnitter

Recht gerne leb' ich auf der Welt:
Brenn' immer stärker, Sonne,
Mich frohen Schnitter ohne Geld!
Ich jauchz', voll Erntewonne,
Den finstern Unmuth in sein Grab,
Und schneide goldne Ähren ab.

Wie, sollt' ich jezt verdrießlich seyn,
Wie dort der alte Ritter
In seinem Pelz am Sonnenschein!
Es leben alle Schnitter
So froh wie ich:— Juhe! Juhu!
Und ihre Mädchen auch dazu.

Ja, ja die schönsten Mädchen sind
Die mit der braunen Farbe;
Und so ist auch, mein liebes Kind,
Hübsch, bräunlicht wie die Garbe,
Die es so artig auf sich schwingt,
Und singend in die Scheune bringt.

Johann Ludwig Ambühl (1750-1800)



Mittwoch, 11. Oktober 2017

Unter dem Moos





Unter dem Moos
das Herz in der Rinde
schlägt noch






(Beneath the moss / the heart in the bark / still beating)

Franz Kratochwil




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Manfred Mazi / pixelio.de




Dienstag, 10. Oktober 2017

an der gabelung





an der gabelung
eine eichel kreuzt den weg
im krähenschnabel






(at bifurcation / an acorn crosses the path / in the crow's beak)

Peter Wißmann




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Der Scheideweg

Immer, immer winkt uns von einer Seite
Der schwammige Backentaschen-Baal,
Bauch-Baal, Schlauch-Götze der Rhinozerosse.
Sau-Geist und Lau-Geist der Moräste,
Der Wampen-Wal und Wanst-Bowist,
Der Rüssel-Schnüffler wohliger Jauchen-Gase.
Immer winkt er, der dreizehnte Tod,
Der Schluck-Tod, der Kot-Tod,
Der Wuchrungs-Wucherer, Rülpser-Rüppel,
Baßgeigen-Baal und Schwarzsuff.

Hieher zu mir!
Ruft euch der Gott, der eine Sehne ist.
Der Morgen-Abendgott der A-Saite.
Der Sehnen-Gott, der nie des Sehnens versiegt.
Der Gott, der nicht arm wird an Herzklopfen.
Der feurige Gott der Aufwärts-Tonleiter.
Der einfache Gott,
Der Gott des Anti-Vakuums.
Der Wellen-Tanzmeister und Wasserwandler.
Der Überwinder der Speckwaagen,
Der Ketzer der Kanzleien,
Der Ungebeugte von Hauptbüchern,
Der sich erbarmet des Rubriken-Sträflings!
Der Dreizack und Dreschflegel
Über den Gesetzen!
Die Erdölquelle,
Der Molch und Salamander in Baals Nabelloch.
Franz Werfel (1890-1945)




Montag, 9. Oktober 2017

Stürmende Wellen





Stürmende Wellen
das Stück Strand ohne Nebel
wandert mit uns






(Storming waves / the piece of beach without fog / wanders with us)

Heike Stehr




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: ©Heike Stehr




Sonntag, 8. Oktober 2017

Laubkehren





Laubkehren
der Wind macht sich lustig
über mich






(raking the leaves / the wind's making fun / of me)

Brigitte ten Brink




(Übersetzung: Horst Ludwig)
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Das Lied vom Lachen

Lachen, lachen ist gesund.
Könnt' ich auch noch einmal lachen
Hell hervor aus Herzensgrund,
Schallend, wie die Kinder schrachen,
Unauslöschlich, wie das Heer
Aller Götter im Homer!

Lachen, lachen ist gesund;
Doch mich will der Ernst erdrücken.
Nur ganz leise zuckt der Mund,
Kaum ein Lächeln kann ihm glücken.
Schnell verwischt ist Glanz und Licht,
Und die Tiefe regt sich nicht.

Weise Männer, thut mir kund,
Wie ich wieder lachen lerne.
Denn das Lachen ist gesund,
Und genesen möcht' ich gerne.
Trüber Sinn thut nimmer gut,
Sauertopf kocht schlimmes Blut.

Lachen, lachen ist gesund.
Könnt' ich nur, ich wollte lachen,
Ueberlaut, aus tiefem Grund,
Wie es Sirachs Narren machen.
Schafft die Weisheit Noth und Pein,
Muß die Thorheit Helfer sein.

Könnt' ich nur zum Lehrer mir
Einen rechten Lacher dingen:
Sollt' es wohl, das glaub' ich schier,
Mir am Ende selbst gelingen,
Und wir lachten mich gesund.
O, wer schließt den Lacherbund?

Karl Lappe (1773-1843)



Samstag, 7. Oktober 2017

Nebelzaun






Nebelzaun -
seit der Vogel aufflog
verlorener




(fence in fog – / since the bird flew up / more lonely)

Angelica Seithe




(Erstveröffentlichung: Haiku heute, Ausgabe März 2015)
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Foto: © SueSchi / pixelio.de