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Sonntag, 31. Juli 2016

still werden





still werden
im glanz der gräser
kapellenweg





(going quiet / in the gleam of grasses / way of chapels)

Helga Stania




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Stille

Wie liebe ich die stillen Seelen!
Die Stille ist des Himmels Bild;
Wie hohe Gaben ich mag wählen
Die Fülle nur aus Heil'gem quillt.

Still ist die Einsamkeit, der Friede,
Es weint in Sehnsucht still der Schmerz,
Es wallet die Glut im Liede,
Das dringt am tiefsten in das Herz.

Still sind Gedanken, Blumentriebe,
Still ist der Schlaf, des Todes Schein,
Süll ist der Traum mit seiner Liebe,
Bewegt und still ein edles Sein.

Helene Branco (1816-1894)
Aus der Sammlung Lyrisches





Samstag, 30. Juli 2016

unser Schweigen






unser Schweigen - 
eine Schwalbe schlitzt den
Abendhimmel auf*




(our silence – / a swollow’s sliting / the evening sky)

Angelica Seithe
 
 
 

*(Erstveröffentlichung: haiku-heute 2013)
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Foto: © Harald Schottner / pixelio.de




Freitag, 29. Juli 2016

Matsukaze ni






松風に誘はれて鳴く蟬一つ




Matsukaze ni, sasowarete naku, semi hitotsu

(Eingeladen vom Wind, der in den Kiefern weht, zirpt eine Grille.)



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Die Grillen

„Sage mir, o kleine Grille,
Warum ihr des Tages schweigt;
Abends, wenn der Mond sich zeigt,
Wenn der Tag sich löst in Stille,
Dann erst euer Liedlein geigt?“

„Ach, des Tags, wenn alle schwatzen,
Würden doch wir überschrien.
Und, wer weiß, im dichten Grün
Fänden noch uns freche Spatzen —
Und so wären wir dahin.

Doch sobald mit seinem wüsten
Treiben still der Tag erblasst,
Wenn die Ameis’ geht zur Rast
Von der Arbeit, dann erst rüsten
Wir in festlich froher Hast.

Denn zu festlich froher Weise
Finden wir des Nachts uns ein.
Mitten in den Mondenschein
Klinget unser Lied, so leise
Wie ein zarter Elfenreihn.

Frederic Mistral (1830-1914)




Donnerstag, 28. Juli 2016

Sommernachtstraum





Sommernachtstraum
bis zum ersten
Mückenstich




(Midsummer Night's Dream / until the first / mosquito bite)

Eléonore Nickolay




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Sommernachtstraum

Die Nacht ist lau und reich an Tau;
Wie Falter streifen Lüfte
Mit leichtem Hauch an Baum und Strauch
Und atmen Blumendüfte.
Der Mond neigt dicht sein gelb’ Gesicht
Neidfunkelnd auf die Berge,
Aus deren Schacht jetzt golden lacht
Der reiche Schatz der Zwerge.

Vom Wald zum Klee tritt scheu das Reh,
Geflügel schnarrt im Weiher;
Auf Wiesen schwebt, senkt sich und hebt
Im Tanz der Elfen Schleier.
Es nickt im Traum der Apfelbaum
Und schüttelt an mein Fenster
Die Zweige schwer, als zögen her
Schreckhafte Nachtgespenster.

Mein Kämmerlein wird mir zu klein,
Der Seele wachsen Flügel,
Es singt und klingt und leicht beschwingt
Schweb ich ob Tal und Hügel.
Wie Heimwehklang tönt weich und bang
Ein Posthorn fern im Tale;
Mich lockt der Ton, als riefe schon
Erlkönig im Mondenstrahle.

Wo der Wildbach schäumt, wo das Waldweib träumt,
Und goldene Märchen schweben,
Ragt aus flüsterndem Rohr ein Schloss empor
Von schattigen Linden umgeben.
In ein Fensterlein grüß ich dort hinein,
Dran blühende Myrten lauschen,
Um den Gruß, als Dank für den Morgentrank,
Der Gärtnerin auszutauschen.

Theobald Nöthig (1841-1925)
Aus der Sammlung Den Frauen
 
 
 
 
 

Mittwoch, 27. Juli 2016

Mein Boot treibt ruhig






Mein Boot treibt ruhig.
Ein brüchiger Baum kippt da-
drüben ins Wasser.





(My boat drifting quietly. / At the shore a dried out tree's brake- / ing
into the water.)

Horst Ludwig




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Foto: © Silvia Kempen



 

Dienstag, 26. Juli 2016

sparrow





sparrow
branch to branch
who will father be
in his next life?




(​Spatz / von Ast zu Ast / wer wird Vater sein / in seinem nächsten Leben?)

Nicholas Klacsanzky




(Deutsche Übersetzung: Silvia Kempen)
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An den Vater

Ganz früh: Du tauchtest Dampf der morgendlichen Gärten
In meine Seele. Der blauen Sichel des Mondes
Namen gabst du, verwandt. Es reihten die Tiere
Dir sich gehorsam, Zauberer, der du die Blumen
Fremd im Abend beschworst zwischen Farrnkraut und Steinen.
Mich auch einmal. Und gehst mir weiter die fremden
Wege wie damals voran. Weißt schon den weißen
Schimmer des Haars. So reichst du, das Endliche kennend
Immer zuerst, den Tod wie damals den Tau, wie die Blumen.
Aber die Liebe verfließt, ein dunkles Gewässer
Ferne unendlich von Jedem einsam befahren.
Spülte mir niemals zur Seite, der dich trägt, den Nachen,
Hilfe verheißend. Es reichte mein Schrei
Nicht ins Land dir der Nacht: versink ich, erstrahlst du,
Tröstlich vielleicht, ein Letztes, verwandelt, als Stern.

Maria Luise Weissmann (1899-1929)
Aus der Sammlung Imago





Montag, 25. Juli 2016

das letzte licht malt






das letzte licht malt
tiefrosa pinselstriche -
mein mädchenhimmel.





(the last light painting / deep pink brushstrokes - / my girl sky.)






(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Bernd Kasper / pixelio.de




Sonntag, 24. Juli 2016

Mutters Hand





Mutters Hand
in meinem Haar
ein Schmetterling




(Mother's hand / in my hair / a butterfly)

Silvia Kempen




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An den Schmetterling

Blumengebilde mit farbigem Glanz
Flatternd in Lüften im wogenden Glanz,
Spielend auf Blüten im duftigen Schein:
Dürft' ich, o dürft' dein Gespiele ich sein!

Nahet der Abend, die Schwingen sind matt,
Hast du das Flattern, das Fliegen nun satt,
Rufen die Blumen dich ladend zur Ruh':
Dürft' ich, o dürft' ich süss schlummern wie du!

Marie Gräfin von Bentzel-Sternau (1783–1838)
 
 
 
 

Samstag, 23. Juli 2016

Fußgängerzone





Fußgängerzone
Strich für Strich das Lächeln
der Mona Lisa




(pedestrian zone / stroke by stroke the smile / of Mona Lisa)

Christof Blumentrath




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Marco Görlich / pixelio.de




Freitag, 22. Juli 2016

die katze schläft noch





die katze schläft noch
zwei diebische elstern
am Keifen




(the cat still asleep / two thievish magpies / are nagging)

Birgit Schaldach-Helmlechner




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Die Katze.

Hört, die Katze hat gekatzelt! —
Kündet es mit der Trompete,
Denn erfahren muß die Welt es,
Wie's geziemt der Etikette.
Dies Familienereigniß —
Wichtig ist's für Musikanten,
Weil die Katzenmusik Katzen
Einst zum Heil der Welt erfanden.

Adolf Pichler (1818-1900)
 
 
 
 

Donnerstag, 21. Juli 2016

Abendsonne





Abendsonne
geschultert ... das Gewicht
unserer Worte




(evening sun / shouldered ... the weight / of our words)

Gabriele Hartmann




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Worte

Die Worte sollen nicht Dornen sein,
Das bange Herz zu verwunden -
Es wird ja doch so selten ein Strauß
Von Rosen dem Leben gebunden.

Und wo so spärlich die Rosen blühn,
Verhüllt nur die Sterne scheinen,
Das darf durch´s spitzige Wort kein Aug´
Eine einzige Thräne weinen.

Es sei das Wort fürs klagende Herz
Balsam der Wiederbelebung,
Zu Grabe tragend den herben Schmerz
Mit stillem Trost der Ergebung.

Karl Stelter (1823-1912)
 
 
 
 

Mittwoch, 20. Juli 2016

Summertime – Blues







Summertime – Blues 
ein Ventilator wirbelt 
schwüle Luft
 



(Summertime-Blues / a ventilator swirls / sultry air)

Brigitte ten Brink




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Foto: © Oliver Mohr  / pixelio.de



 

Dienstag, 19. Juli 2016

hot spot









hot spot / in the greek cafe / sunburned feet

(Hot Spot - / in dem griechischen Café  / sonnenverbrannte Füße)

Haiga von Heike Gewi ©



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Ferien

Es ist so schön, in freier Zeit zu wühlen –
an den Minuten wie am Süßholz kauen –
mit den Gedanken Tennis oder Fußball spielen –
aus den Ideen ein Kartenhäuslein zu erbauen –
auf einer Wolke über Berg und Tal zu reiten –
der Wind als treuer Köter hinterdrein –
auf einem Glockenton in weite Fernen gleiten –
und in der Einsamkeit nicht einsam und allein zu sein.

Fred Endrikat (1890-1942)
Aus der Sammlung Liederliches und Lyrisches



Montag, 18. Juli 2016

Leichter Morgenwind






Leichter Morgenwind 
der Löwenzahn schickt seine 
Luftlandetruppen





(Light morning breeze / the dandelion releases its / paratroopers)

Friedrich Winzer




(Übersetzung: Beate Conrad)
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LÖWENZAHN

Keine Vase will dich. Keine
Liebe wird durch dich erhellt.
Aber deines Samens reine
weiße Kugel träumt wie eine
Wolke, wie der Keim der Welt.

Lächle! Fühl dich gut gedeutet!
Blüh! So wird aus Schweigen Huld.
Bittre Milch und Flaum, der gleitet:
O, nicht Haß - den Himmel weitet
Weisheit. Stillesein. Geduld.

Wärst du auf der Höh geboren,
ferne, selten, früh empor:
Teilnahmslosem Gang der Horen
blühtest ruhmvoll, unverloren,
groß, dein Wunder vor.

Josef Weinheber (1892-1945)