Winterfrühe —
Vater liest
die Wolken
(winter dawn -- / father reads / the clouds)*
Helga Stania
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Die Wolken
Himmelsbilder, leichte Wolken,
Eure Hieroglyphenschrift
Kann ich freilich nicht entziffern,
Aber reizend lockt sie mich.
Wie der Sphynx erhabne Sprüche
Ehmals so den Geist berauscht,
Daß er willig abwärts irrte
Zu des Räthsels Labyrinth.
Bald getrennt und bald vereinet
Zeichnet ihr im raschen Flug
Mächtiger Gestalten Fülle,
Auf den azurblauen Grund.
Eines Lüftchens mildem Hauche,
Das verstohlen nur geweht,
Weichen Feen, Zwerge, Ritter
In die Todesnacht zurück.
Aber schon aus weiter Ferne
Fließen neue Wunder her,
Schauen liebliche Konturen
Schwankend, grüßend in das Herz.
Himmelsbilder, leichte Wolken,
Ihr gehört zur Frühlingszeit,
Wie des Thaues Demanttropfen,
Wie der Wind im Blüthenstrauch.
Nicht zu halten, gleich dem Winde,
Nicht zu fassen, gleich dem Thau,
Bringt ihr jenes stille Sehnen
Räthselvoll, halb Glück, halb Leid.
Luise Hecker
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