schmecke das Salz
ferner Strände
mein verschneiter Garten
mein verschneiter Garten
(tasting the salt / of distant shores / my snow covered garden)
Helga Stania
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Das Salz
O du, das man auf Schiffen und auf Achsen
Vom Nord zum Süd verführt, vom Ost zum West;
O du, das Gott der Herr so wohlfeil wachsen,
Und uns so kostbar werden läßt;
Dir tönt mein Lied! — Das Liebste zu entbehren,
Man lernt es endlich; ja man hat's gewagt,
Und hat zum Trost des Magens beim Verzehren
Sogar das Denken sich versagt.
Auf Kraft und festen Muth, auf Treu und Glauben
Auf Scham und Ehre leisten sie Verzicht,
Man läßt sich des Gewissens Würze rauben,
Nur dich, der Schinken Würze, nicht.
Kein Nabob Großbritanniens kann dich missen,
Der seinen Tisch aus beiden Indien deckt,
Kein Bauer Irland's, dem als Leckerbissen
Die Knolle, die du würzest, schmeckt.
Und ist's denn nur der Mensch, der Allverschwender,
Der dein bedarf? Sucht in der Nacht des Wald's
Der Rehbock und der stolze Sechzehnender
Was anders, als dich, köstlich Salz?
Der Mensch hat sinnreich, nebst dem Speisewürzen,
Auch zum Symbol der Demuth dich erseh'n,
Mit dem zertret'ne Völker niederstürzen,
Und vom Erob'rer Gnade fieh'n.
Und wenn sie noch das Brot dazu gegeben,
So scheint es fast: es sei ihr Wunsch, nicht blos
Zu betteln um das nackte bisschen Leben,
Auch um ein menschlich mildes Loos.
Einst wählte dich des Siegers Zorn und säte
Dich auf den Ackergrund mit strenger Hand,
Wo eine Stadt, bevor sein Degen mähte,
Voll freigesinnter Bürger stand.
Und wenn der Römer, der den Freund sich wählte,
Erst Salz mit ihm verzehrte, Pfund auf Pfund,
So gibt das viel Verstand und Herzenskälte,
Nur kein Genie für Freundschaft kund.
Der Weisheit Salz im Mund des Täuflings wehret
Für alle Zeit des ird'schen Aufenthalts
Der Torheit Schmach und Unglimpf ab, und lehret
Auch Weisheit sei nie ohne Salz.
Das köstlichste von allen Salzen streuet
Der Grazien und Musen zarte Hand,
Daran das Herz sich, wie am Wein, erfreuet,
Wenn es der Kummer übermannt.
Wenn ich Horaz nicht aus den Händen bringen,
Nicht satt mich an Cervantes lesen kann,
Und Thümmel's Meisterstück nicht g'nug verschlingen,
Dies Göttersalz ist Schuld daran.
In jedem Werk der Kunst, in jedem Buche,
In allem Scherz und Witz, bei Lied und Wein,
In jedem Flügelschlag des Geistes suche
Ich dieses Salzes Duft allein.
Die Liebe, selbst mit ihrer schönsten Stunde,
Ist ohne Salz wie schal, wie ekelhaft!
Der süße Kuß von einem Rosenmunde
Wird durch dieses Salz zum Göttersaft.
Dies Salz nur ist's, an dem ich mich erhole,
Wenn ich den Tag hindurch ein Meer durchschwamm,
In dessen Flut von jener edlen Sole
Kein Tropfen mir entgegen kam.
Daran erheb' ich mich vom bittern Wehe,
Das mir das Herz voll Mitgefühl beschleicht,
Wenn ich so viel aschfarbne Wangen sehe,
Die, ach! der Tränen Salz gebleicht!
Matthias Leopold Schleifer (1771-1842)
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