frühling
der himmel
wieder geöffnet
(springtime / the sky / opened again)
René Possél
XII. Wie wenn nach Wintertagen der Frühlingshimmel blaut
Wie wenn nach Wintertagen der Frühlingshimmel blaut
Und plötzlich auf den Bergen die eis’ge Kuppe taut,
Wie’s tropft und quillt und rieselt und stark und stärker fließt,
Bis sich’s in mächt’gen Fluten hinab in’s Tal ergießt:
So bricht’s lebending heute aus jedem Felsentor
In tausend muntern Bächen im Sonnenschein hervor,
So wälzt sich’s voll und voller rings von der Berge Rand,
Zuletzt in Riesenströmen hinab in’s Böhmerland.
Es klirrt und saust und rasselt wie Lenzsturm durch den Raum;
Die greisen Bergeshäupter, sie wachen auf dem Traum;
Die Wasser sehn sie schwellen, da packt sie Schrecken an:
Hilf Himmel! Jeder Tropfen – ist ein bewehrter Mann!
Das silberhelle Blitzen – vom Glanz der Schwerter war!
Rings jedes flinke Bächlein – ist eine Kriegerschar!
Und jeder Strom im Tale – ein kampfgerüstet Heer!
So weit die Blicke reichen: -- Ein einzig Waffenmeer!
Das wogt und drängt und wirbelt durch Fels und Wald und Flur,
Als hätt‘ es tausend Ziele – und ha doch Eines nur!
Beseelt von Einem Geiste, durch Einen Wink gebannt –
Uns dünkt, dies Volk von Kriegers es wär‘ uns längst bekannt.
Fürwahr, schon einmal weckte uns dieser Waffen Klang,
Dies sturmwindgleiche Schreiten und dieser Schlachtensang!
Stieg auch ein voll Jahrhundert seitdem zum Schattenreich,
Uns dünkt, es sind die Söhne den Heldenvätern gleich.
Wacht auf! Wacht auf! Ihr Schläfer im weiten Böhmerland!
Ein Wetter vom Gebirge ward furchtbar euch gesandt!
Zu spät! – Die stärksten Dämme sind spurlos fortgeschwemmt:
Kein Gott, der solche Ströme des Völkerfrühlings hemmt!
Ernst Scherenberg (1839-1905)
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