Donnerstag, 31. August 2017

Altweibersommer





Altweibersommer -
all die welken Blätter
zertreten





(Indian summer - / all the withered leaves / crushed)

Andrea D'Alessandro




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Altweibersommer

Nun tönt schon mählich mehr und mehr
Der Klang der Drescher aus den Scheunen,
Und müde zieht schon hin und her
Altweibersommer an den Zäunen.
Ich that den Weg heut aufwärts gehn,
Da ward mir bitter weh zu Mute,
Als ich zum ersten Mal gesehn
Das weiße Garn an meinem Hute.

In Fäden flattert es zu Thal,
Die Sehnsucht nach dem Sommer wecken,
Und blitzt und spielt im Sonnenstrahl
An herbstgeküßten Weißdornhecken.
Es schwingt sich auf wie Blumenduft,
Vom Wind geführt, dem wandermüden,
Und über ihm in weißer Luft
Ziehn Vogelschwärme nach dem Süden.

Wie das so kommt, mahnt dann und wann
Mich an ein Lied die Sommerseide,
Das süß und wunderbar begann
Und mählich sich verlor im Leide.
Das ist das Glück, das schwebt vorbei,
Drum falte betend beide Hände,
Daß dir der Herrgott gnädig sei -
Sonst klingt dein Sommer auch zu Ende.

Carl Busse (1872-1918)
Aus der Sammlung Sommerlieder




Mittwoch, 30. August 2017

Wolken wandern




Wolken wandern
über blühende Wiesen
dahin
die Zeit als wir Zukunft
verwebten mit Sonnenlicht




(drifting clouds / above flower meadows / lost / the time we interweaved / future and sunlight)

Helga Stania
 
 
 
 
(Erstveröffentlichung: Chrysanthemum Oktober 2010)
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Das Tanka (jap. 短歌, dt. Kurzgedicht) ist eine mindestens 1.300 Jahre alte reimlose japanische Gedichtform (Waka) mit 31 Moren. Sie ist älter als das Haiku, das sich aus dem Tanka entwickelte. Ein Tanka beschwört den Augenblick, hält ihn fest mit Präzision und Musikalität.





Foto: © birgitH / pixelio.de




Dienstag, 29. August 2017

alle Himmel





alle Himmel
im Malbuch meines Enkels
wolkenlos





(all heavens / in my grandchild's coloring book / cloudless)

Ruth Karoline Mieger




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Die Kinder

O wie glücklich sind die Kinder!
Krösusreich! Wie Götter – frei!
Selber ihre Weltgeschichte!
Lieblich ihre Traumgesichte!
Ihre Wonne immer neu!

Wo sie spielen, ist ihr Himmel!
Von der Bosheit Riesenkraft
Und verfolgter Unschuld Thränen
Ahnt den Holden nichts. Sie wähnen
Alle Herzen tugendhaft.

Die ihr stolz die Rosenbinde
Von der Kinder Augen zieht,
Lehrer! ach ihr seid Tyrannen!
Lust und Zauber fliehn von dannen,
Wenn ihr Wunderglaube flieht.

Engel schienen mir die Menschen.
Eden lachte rings umher.
Nun – – O gebt die Rosenbinde!
Zaubert mich zurück zum Kinde!
Denn – die Wahrheit schmerzt zu sehr.

Friedrich Haug (1761-1829)





Montag, 28. August 2017

Schon Ende August





Schon Ende August
wirft die Dunkelheit schneller
ihr Netz über uns.




(already at end of August / the darkness casts the net faster / around us)

Georges Hartmann




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Foto: © Maren Beßler / pixelio.de




Sonntag, 27. August 2017

Atlantik-Surfer






Atlantik-Surfer
auf seinem Brett
den Horizont entlang




(Atlantic surfer / on his board / along the horizon)

Elèonore Nickolay




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Weiter Horizont

Das ist's, was mich hier so entzückt:
Diese unbedingte Weite,
dieser Horizont in Tief' und Breite
verschwenderisch hinausgerückt.

Aus der Sammlung Ein Sommer




Samstag, 26. August 2017

Heurollen





Heurollen -
Lockenwickler
fürs Erntedankfest




(hay rolls -- / curlers / for harvest festival)

Rosemarie Schuldes




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Harry Hautumm / pixelio.de




Freitag, 25. August 2017

Abendrot




Abendrot
eine Rose blutet
ihre Farbe in die Nacht




(sunset glow / a rose is bleeding / its color into the night)

Petra Klingl




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © uschi dreiucker / pixelio.de




Donnerstag, 24. August 2017

sehnen





sehnen
die tanzenden mücken
im spannen des bogens




(yearn / the dancing midges / in tensioning the arc)

Sonja Raab




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Mückentanz

Halb verwelkt ist alles Laub
Dieser glüh'nden Waldesräume,
Aus dem Grase fliegt der Staub,
Traurig recken sich die Bäume,
Ob der Horizont noch nicht
Mit der Wolke sich besäume.
Doch der Horizont ist licht.

Ruh' und Ordnung überall,
Kein gewitterhaftes Zücken,
Und auf dem Gesellschaftsbau
Tanzen hochvergnügt die Mücken:
Mag die übrige Natur
Dieser Lüftebrand erdrücken,
Mücke fühlt für Mücke nur.

„Freundchen, morgen werden wir
Wieder uns, wie heut, begegnen,
Wöge dieses Tanzplaisir
Nur kein Unstern uns verregnen!
Solches Wetter wechsle nie!
Laßt uns das Stabile segnen,
Nieder mit der Anarchie!"

So die Mücken. Aber fest
Nach den ewigen Gesetzen
Wirkt der Himmel, und er läßt
Durch das Mückentanzergötzen
Sich nicht bannen jenen Tag,
Wo, der Erde Durst zu letzen,
Fallen wird der Donnerschlag.

Sigmund Schott (1818-1895)
 
 
 
 

Mittwoch, 23. August 2017

angespült





angespült
Sätze die wir herumtragen
der Sommerwind und ich




(washed ashore / sentences we carry around  / the summer wind and I)

Heike Gewi




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 Haiga: © Heike Gewi




Dienstag, 22. August 2017

Hinterhofhitze





Hinterhofhitze -
ein Mädchen lässt
die Katzen hinein*




(Backyard Heat - / a girl lets / the cats go in)

Gerd Börner




*(Erstveröffentlichung: Hinterhofhitze 2005)
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Die Katzen

Sie sind sehr kühl und biegsam, wenn sie schreiten,
Und ihre Leiber fließen sanft entlang.
Wenn sie die blumenhaften Füße breiten,
Schmiegt sich die Erde ihrem runden Gang.

Ihr Blick ist demuthaft und manchmal etwas irr.
Dann spinnen ihre Krallen fremde Fäden,
Aus Haar und Seide schmerzliches Gewirr,
Vor Kellerstufen und zerbrochnen Läden.

Im Abend sind sie groß und ganz entrückt,
Verzauberte auf nächtlich weißen Steinen,
In Schmerz und Wollust sehnsuchtskrank verzückt
Hörst du sie fern durch deine Nächte weinen.

Aus der Sammlung Das frühe Fest




Montag, 21. August 2017

zwischen zwei fingern







zwischen zwei fingern

den sommer zerreiben

wilder majoran





(between to fingers / grinding the summer / wild marjoram)

Birgit Schaldach-Helmlechner




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Foto: © uschi dreiucker / pixelio.de




Sonntag, 20. August 2017

angekommen





angekommen -
sorgsam fülle ich das blau
in meine leere palette






(arrived - / carefully I fill the blue / in my empty palette)





(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Ankunft

Nimm des alten Treibens Müden,
Nimm mich gütig auf, o Süden,
Flüchtig, bittend komm’ ich dir.
Gönne du von aller Schöne
Deiner Blüten, deiner Töne
Nur ein kleines Teilchen mir.

Nicht das alte Freudenleben,
Das ich, das mich aufgegeben -
Nutze such’ ich, kurze Rast.
Jugend bei Zypressenbäumen
Such’ ich nicht, doch lasse träumen
Schön von ihr den trüben Gast.

Nicht in schönsten Pinienhainen
Kann sie wieder je erscheinen,
Wem sie einmal ward geraubt -
Aber beuge, aber neige
Deines Ölbaums Friedenszweige
Kühlend auf mein heißes Haupt.

Moritz Hartmann (1821-1872)
Aus der Sammlung Aus dem Süden
 
 
 
 

Samstag, 19. August 2017

bussardrütteln






bussardrütteln
in der stille der felder
zwei jogger




(buzzard shake / in the quietness of fields / two joggers)

Peter Wißmann




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Bernd Kasper / pixelio.de




Freitag, 18. August 2017

dein





dein
dennoch
roter mohn





(your / nevertheless / red poppy)

Ilse Jacobson




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Dennoch.

Und wurde auch mein Hoffen immer schwächer,
Ich hoffe dennoch, wie am Kreuz der Schächer,
Auf’s Paradies. – Ich hoffe auf Erlösung
Der Menschheit aus dem Grabe der Verwesung,
Des Drucks, der Tyrannei, der schnöden Mache –
Ich hoffe auf den Sieg der guten Sache.

Heinrich Kämpchen (1847-1912)
Aus der Sammlung Heimat



Donnerstag, 17. August 2017

in soil






in soil
half of the bottle cap . . .
he paints a blue sky



 
(im Boden / der halbe Flaschenverschluss . . . / er malt einen blauen Himmel)

Nicholas Klacsanzky (Ukraine)




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Klicker / pixelio.de




Mittwoch, 16. August 2017

Augustrasen





Augustrasen
knirschende Schritte
auf Stroh






(august lawn / crunching steps / on straw)

Kurt F. Svatek




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Ruhlose Schritte

So wollte Gott, ich hätt' dich nie gesehn!
Ich lausche zitternd, wie die Stürme gehn
Mit ihrem scheuen, ruhelosen Schritt
Und schluchze auf - und wandre müde mit.

Es war ein Tag, da jauchzt' ich in ihr Wehn!
Wie ist mir nun so bitter Leid geschehn -
Ach, der mich küßte, ließ mich bald allein,
Es weckt kein Sturm mir den Gesellen mein.

Anna Ritter (1865-1921)
Aus der Sammlung Fremdes Leben