Dienstag, 29. Dezember 2015

wie der sturm heut braust





wie der sturm heut braust -
kaum noch blätter
am alten kalender





(how the storm roars today / hardly any leaves / on the old calendar)

Isabella Kramer



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Mein Kalender

Zu unsrer Zeit gibt's mehr Kalender
Als Tag' in einem Jahre sind.
Für alle Klassen, alle Stande,
Für Mann und Frau, für Greis und Kind
Sind solche Büchlein zu bekommen,
Groß, klein, dick, dünn, mit-, ohne Zier.
Ich kann von allen keinen loben
Und mache meinen eignen mir.

Die Jahreszeiten werd' ich theilen,
So wie mir's gut dünkt, und mich's freut.
Den Frauen geb' ich langen Frühling,
Den Männern lange Sommerszeit;
Für Dichter, die von Blüthen schreiben
So lang ihr Kiel sich nur bewegt,
Laß ich 'nen schönen Herbst erscheinen,
Wo jede Blüthe Früchte trägt.

Für Böse ist es immer Winter
Im Blute so wie in der Zeit,
Für Gute hab' ich keine Kälte,
War' auch ihr Kopf schon weiß beschneit,
So ginge Jahr für Jahr vorüber
Nach einem eignen Gesetz;
Der Dumme würde immer älter
Und der Vernünfr'ge jünger stets.

Vom Thierkreis will ich gar nichts wissen,
Was ihr auch von dem Einfluß sprecht;
Ist einer in der Wag' geboren,
So ist er drum noch nicht gerecht.
Mein Himmel kennet keine Bilder,
Die uns die Zukunft prophezeien;
Die Jungfrau ist mir viel zu selten,
Der Capricornus zu gemein.

Das Wetter unfehlbar verkünden
Kann Keiner, der Kalender macht;
Doch so viel darf ich prophezeien:
Daß Weisen stets die Sonne lacht,
Daß es bei Dummen finster bleibet,
Daß manche Ehen neblig sind,
Daß unsere Autoren sicher
Viel Trock'nes machen und viel Wind.

Nicht jeder Tag bringt einen Heil'gen
In meinem Almanach Euch dar,
Nur Bachus, Phobus, Komus, Amor,
Die theilen sich ins ganze Jahr,
Die sollt ihr immerfort verehren,
Sollt, was der Beutel nur vermag,
Stets lieben, trinken, scherzen, singen,
Ein Feiertag sei jeder Tag.

Der Mondeszeiger, Sonnenzirkel,
Die Römerzinszahl, und sodann
Der Sonntags-Buchstab und die Viertel
Die geh'n mich einmal gar nichts an; —
Nur Finsternisse lass" ich gelten,
Die treten auch ganz sicher ein,
So oft ein Liebespaar sich findet
Und wünschet ungeseh'n zu seyn.
Den Tag den Leuten vorzumessen,
Das find' ich wahrlich sehr verkehrt,
Ein Jeder weiß wohl selbst am besten,
Ob er ihm kurz, ob lange währt;
Der Tage kürzester ist jener,
Den man im Frohsinn hingebracht,
Und für zwei Gatten, die sich hassen,
Ist jede Nacht die längste Nacht.

Ignaz Friedrich Castelli (1781 bis 1862)


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