Mittwoch, 30. September 2015

Herbst







Herbst 
Tropfen für Tropfen 
an die Leine gehängt




(autumn / drop by drop / hanged on the leash)

Christof Blumentrath




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © dagmar zechel / pixelio.de




Dienstag, 29. September 2015

Sturmtief.






Sturmtief.
Der Wind erzwingt
einen neuen Kurs*




(Storm front. / The wind will force / a new course)

Boris Semrow



(Übersetzung: Silvia Kempen) 
*haiku-like 31.03.2015 prompt: Sturmtief
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Trutz, blanke Hans

Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört,
wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers zitterte, stöhnte,
aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, blanke Hans.

Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
liegen die friesischen Inseln im Frieden.
Und Zeugen weltenvernichtender Wut,
taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut.
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
Trutz, blanke Hans.

Im Ozean, mitten, schläft bis zur Stunde
ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen,
und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz, blanke Hans.

Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier tiefer Atem ein
und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,
viel reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, blanke Hans.

Rungholt ist reich und wird immer reicher,
kein Korn mehr faßt selbst der größte Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom
staut hier täglich der Menschenstrom.
Die Sänften tragen Syrer und Mohren,
mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.
Trutz, blanke Hans.

Auf allen Märkten, auf allen Gassen
lärmende Leute, betrunkene Massen.
Sie ziehn am Abend hinaus auf den Deich:
"Wir trutzen dir, blanker Hans, Nordseeteich!"
Und wie sie drohend die Fäuste ballen,
zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen.
Trutz, blanke Hans.

Die Wasser ebben, die Vögel ruhen,
der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen.
Der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn,
belächelt der protzigen Rungholter Wahn.
Von Brasilien glänzt bis zu Norwegs Riffen
das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen.
Trutz, blanke Hans.

Und überall Friede, im Meer, in den Landen.
Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Scheusal wälzte sich, atmete tief
und schloß die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
kommen wie rasende Rosse geflogen.
Trutz, blanke Hans.

Ein einziger Schrei - die Stadt ist versunken,
und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm andern Tags der stumme Fisch.
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren.
Trutz, blanke Hans?





Montag, 28. September 2015

Immer noch klingen





Immer noch klingen
Glocken der lang zerstörten
St. Georg daheim




(Still ringing the bells / of St. George's, long destroyed, / the church
from at home)

Horst Ludwig




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Foto: © Dieter Schütz / pixelio.de




Aus Wikipedia: … Der hl. Georg zählt zu den 14 Nothelfern. Er ist der Schutzpatron verschiedener Länder, Adelsfamilien, Städte und Ritterorden. Der Vorname Georg (und seine sprachlichen Abwandlungen) gehört zu den beliebtesten Vornamen in Europa.
Sein Symbol in der Heraldik ist das Georgskreuz. Das rote Kreuz auf weißem Grund ist in vielen Wappen und Flaggen enthalten. Heiligenattribute, die neben dem Georgskreuz als Erkennungszeichen des Heiligen dienen, sind der Drache sowie seine Darstellung als Ritter mit Lanze; teils wird der hl. Georg auch mit dem Palmwedel des Martyriums dargestellt. …



Sonntag, 27. September 2015

im Garten






im Garten
das sanfte Klangspiel
nach dem Sturm*




(in the garden / the gentle chime / after the storm)

Diana Michel-Erne



(Übersetzung: Silvia Kempen)
*haiku-like 31.03.2015 prompt: Sturmtief 
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Foto: © Katrin Schindler / pixelio.de



Samstag, 26. September 2015

Teezeremonie






Teezeremonie
der Meister schäumt
die Sehnsucht auf*




(tea ceremony / the master foams up / the desire)

 Simone K. Busch 



*haiku-like 06.05.2015 prompt: Vorfreude 
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Sehnsucht

Sehnsucht gleicht der Abendröthe,
Die in weiter Fern verschwimmt,
Die das Herz zu holden Träumen
Und zu Gott die Seele stimmt.

Franz Arnold Cöllen (1830 - 1860)
Aus der Sammlung Reisen und Dichtungen




Freitag, 25. September 2015

Starkregen






Starkregen
Ein Mädchen springt
mit dem Laub




(heavy rain / A girl jumps / with the foliage)

Claudius Gottstein



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Bernd Wachtmeister / pixelio.de




Donnerstag, 24. September 2015

windthrow





windthrow
the old willow
talks to my soul




(windbruch / die alte weide / spricht zu meinem seelentier)
Ramona Linke



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Foto: © Lizzy Tewordt / pixelio.de
 


Mittwoch, 23. September 2015

Nebliger Morgen






Nebliger Morgen
orientierungslos
die Sonnenblumen




(Misty morning / without orientation / the sunflowers)

Susanne Effert



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Foto: © Susanne Effert


Im Herbst

Die Sonnenblumen leuchten am Zaun,
Still sitzen Kranke im Sonnenschein.
Im Acker mühn sich singend die Fraun,
Die Klosterglocken läuten darein.

Die Vögel sagen dir ferne Mär,
Die Klosterglocken läuten darein.
Vom Hof tönt sanft die Geige her.
Heut keltern sie den braunen Wein.

Da zeigt der Mensch sich froh und lind.
Heut keltern sie den braunen Wein.
Weit offen die Totenkammern sind
Und schön bemalt vom Sonnenschein.

Georg Trakl (1887 - 1914)




Dienstag, 22. September 2015

Traumfänger





Traumfänger
über dem Bett
das Spinnennetz




(Dreamcatcher / above the bed / spider's web)

Chris David



(Übersetzung: Silvia Kempen)
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 Foto: © Chris David



Montag, 21. September 2015

Seifenblasen





Seifenblasen
seid Ihr
die Zukunft?





(soap-bubbles / are you / the future?)

Gabriele Hartmann



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Morgen.

Mohnumkränzter – schließe meine Augen,
neige dich voll Mitleid zu mir nieder –
zeig mir Bilder aus vergangnen Tagen,
gib im Traum mein blondes Glück mir wieder.

Weiche Nacht, bring meiner Seele Frieden,
sende deine Engel zu mir nieder,
die mein Leid auf ihre Schwingen nehmen,
morgen, ach, ja morgen – trag ichs wieder!

Leon Vandersee (Pseudonym von Helene Tiedemann, ?-1904)
Aus der Sammlung Adagio consolante




Sonntag, 20. September 2015

Jeden Morgen






Jeden Morgen 
in die Traumschwere 
der Güterzug




(Every morning / into the weighty dream / the freight train)

Friedrich Winzer



(Übersetzung: Beate Conrad)
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Foto: © Erich Westendarp / pixelio.de